Der mit dem Scheich tanzt

Autor: Stefan Bauer
ab 16 Jahren

Buchcover

Bei diesem Buch handelt es sich nicht um einen klassischen Reisebericht, sondern um das Erstlingswerk eines deutschen Rettungsassistenten, der von seinen Erlebnissen während eines einjährigen Einsatzes in Riad in Saudi-Arabien erzählt. Dabei stehen die Menschen dort und ihr Verhalten im Mittelpunkt der Geschichte. Der Leser erlebt alles aus Sicht des Autors, der wenig reflektiert, sondern vielmehr seine Gefühle zum Ausdruck bringt. Daher sollte man das Buch auch als Blick durch ein kleines Fenster in eine andere Welt auffassen – mit dem Wissen im Hinterkopf, dass man nicht die Situation im ganzen Land erfassen kann und dass es sich um die kurze Erfahrung eines Ausländers handelt.

Zunächst erfährt man, wie es zu dem Auslandsaufenthalt des Autors in Saudi-Arabien kam, der sich und andere mit dem Pseudonym Stefan Bauer schützen möchte. Dann steigt er schnell in die eigentliche Geschichte ein und erzählt von dem langwierigen Weg, bis er endlich mit der Arbeit im Rettungsdienst von Riad beginnen kann. Es folgen lose aufeinander Berichte von Extremsituationen: erschütternde Unfällen mit vielen Toten, Vergewaltigungen und dem Unvermögen helfend einzugreifen, wenn der Ehemann es ablehnt. Dazwischen mischen sich unverfänglichere Themen, wie die Freizeitgestaltung mit den anderen Ausländern im Compound oder der Umgang mit dem Fasten im Ramadan. Obwohl man den Autor schon zu Beginn des Buches eher als aufbrausend und etwas derb im Umgang mit Worten erlebt, hat man dennoch lange das Gefühl, dass er seine schockierenden Erlebnisse recht gut wegstecken und verarbeiten kann. So kommt seine Entscheidung so bald wie möglich wieder nach Deutschland zurück zu kehren und die Wandlung in einen grundsätzlich sehr reizbaren Menschen etwas unvorbereitet – wenngleich dieser Wunsch selbstverständlich nachvollziehbar ist.

Was der Titel jedoch mit der Handlung zu tun hat, hat sich mir nicht erschlossen. Lediglich gegen Ende wird einmal während des Abschiedsfestes für den Heimkehrenden etwas Derartiges erwähnt. Ohne Inhaltsangabe ist der Titel alleine irreführend.
Die Geschichte liest sich leicht. Medizinisches Fachwissen ist nicht nötig, allerdings werden auch keine religiösen und gesellschaftlichen Hintergründe der Saudis näher erläutert. Einige Farbfotos veranschaulichen jedoch das Leben in Riad und die fremde Kultur etwas besser. Die Karte der Stadt auf der Innenseite des Einbandes hinten habe ich leider erst entdeckt, als ich die Lektüre schon beendet habe.
Sprachlich ist das Buch ausreichend, kann sich jedoch nicht mit guter Lyrik messen. Diesen Anspruch erhebt es allerdings auch gar nicht. Der Autor möchte die Missstände in Saudi-Arabien schildern und hofft, damit wenigstens im Kleinen etwas verändern zu können. Das wird meiner Meinung nach fast etwas zu deutlich herausgearbeitet und führt dazu, dass ich automatisch nach Kritikpunkten suche.
Im Gegensatz zu den Menschen und Einsätzen erfährt man als Leser nicht viel über die Stadt und man kommt nur eine Ahnung von ihrer Dynamik. Ein wenig mehr Beschreibungen der Umgebung hätten das Buch auf keinen Fall langweiliger gemacht, sondern für Bereicherung gesorgt.

Die Verhaltensweisen einiger Saudis, die Stefan Bauer in seiner Erzählung kritisiert, werden für die meisten (deutschen) Leser genauso unverständlich sein, wie für den Autor selbst. Bevor ich mir jedoch ein Urteil über die Situation in Saudi-Arabien erlaube oder in dieser Hinsicht das Buch bewerten würde, muss ich mich noch mit anderen Quellen zu diesem Thema beschäftigen. Mir hat im Nachhinein ein besserer Einblick in das Leben genau derer Menschen gefehlt, die der Autor kritisiert. Natürlich haben wir alle eine Ahnung vom Islam; das Wissen, wie bestimmte Dinge in der Bevölkerung verankert sind, kann aber nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Man bekommt daher leider nicht den Eindruck, dass sich der Autor wirklich versucht mit der fremden Kultur auseinander zu setzen und sie nachzuvollziehen. Dies wird wahrscheinlich im Rahmen eines physisch und psychisch strapazierenden beruflichen Auslandsaufenthaltes auch kaum möglich gewesen sein, allerdings fehlen dadurch die reflektierende Ebene und der bildliche Schritt zurück. Das hätte das Buch zu einem ausgezeichneten Erfahrungsbericht gemacht. So bleibt es ein eindrückliches persönliches Buch, das mich durchaus mit großem Respekt für seine Arbeit auf den Autor blicken lässt.

*Erschienen bei Lübbe Verlag*

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Autorin / Autor: islenski.hesturinn - Stand: 2. November 2015