Wir trauen unseren Ohren nicht

Studie: Wie uns das Gesehene vom Klang ablenkt

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Das Auge isst nicht nur mit, es hört auch mit. Das, was wir sehen, wenn wir im Konzertsaal sitzen, beeinflusst laut Chia Jung Tsay vom Londoner University College, wie wir eine (klassische) Darbietung bewerten. Die Bewegungen der MusikerInnen lenken uns laut ihrer aktuellen Studie vom Gehörten ab.

Insgesamt 1.164 TeilnehmerInnen, darunter sowohl Profimusiker als auch Laien bat die Forscherin zum Experiment. Sie sollten die drei FinalistInnen von zehn unterschiedlichen Klassik-Wettbewerben bewerten und anhand einer Aufzeichnung erraten, wer diese letztendlich gewonnen hat. Jedoch erhielten nicht alle Testpersonen die gleichen Rahmenbedingungen. Ein Teil von ihnen konnte die Darbietungen der Musiker nur hören, ein anderer diese im Video nur sehen, und die letzte Gruppe das Musizieren im Video sowohl sehen als auch hören.

Das Ergebnis überraschte: So errieten die Testpersonen am häufigsten die SiegerInnen des Musikwettbewerbs, wenn ihnen das vermeintlich wichtigste für die Beurteilung fehlte: der Klang. Durften sie dem Musizieren auf dem Bildschirm nur ohne Ton folgen, so errieten beide Gruppen (Laien und Profimusiker) mit einer Trefferquote von 50 Prozent den späteren Sieger. Andersherum, wenn sie die Musik nur hörten, ohne das passende Bild, so lag die Trefferrate der Testpersonen nur bei 26 Prozent. Die Profimusiker waren den Laien übrigens keineswegs überlegen. Beide erkannten in etwa gleich oft die besten MusikerInnen.

Weitere Experimente zeigten, dass die Testpersonen vor allem die MusikerInnen an die Siegerposition setzten, die sich auf visueller Ebene, durch ihre Bewegungen und Mimik, am leidenschaftlichsten und kreativsten zeigten – und lagen damit häufig richtig. Hatte sich die Jury, die die tatsächlichen Gewinner kürte etwa auch vom Visuellen beeinflussen lassen? Oder konnten sie die Leidenschaft alleine vom Klang her beurteilen? Wir wissen es nicht.

Anscheinend ist es für den Menschen in solchen Situationen allerdings leichter, visuelle als akustische Informationen zu deuten. Laut den ForscherInnen zeigen die Studienergebnisse, dass wir mehr unseren Augen als den Ohren trauen. Wir lassen uns von den visuellen Eindrücken ablenken – selbst wenn es doch eigentlich um den Klang geht.

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Autorin / Autor: Redaktion; Bild: © LizzyNet - Stand: 22. August 2013