Bindungstyp Adele?

Studie: Unsere Lieblingssongs können etwas darüber verraten, wie wir in Beziehungen handeln und fühlen

Wenn du immer wieder den gleichen Schmachtsong über eine enttäuschte Liebe hörst, dann sagt das vielleicht mehr über dich aus, als dir in dem Moment bewusst ist. Davon ist zumindest Forscher Ravin Alaei überzeugt, der zusammen mit den Psychologieprofessoren Geoff Macdonald und Nicholas Rule untersucht hat, wie der Bindungsstil von Menschen mit der Musik (bzw. den Songtexten) zusammenhängt, die sie immer wieder hören. Wie Menschen in Beziehungen typischerweise denken, fühlen und handeln spiegelt sich den Forscher_innen zufolge nämlich sehr deutlich in oft gehörten Musikstücken wider.

"Ich interessiere mich für die Rolle, die Musik im Leben der Menschen spielt. Seitdem die Menschen vor Zehntausenden von Jahren begonnen haben, Musik zu machen, haben sich Lieder in allen Kulturen immer auf Beziehungen konzentriert - darauf, eine Beziehung einzugehen, sie aufrechtzuerhalten oder zu beenden - also habe ich mich gefragt, ob die Menschen Musik hören, die ihre Erfahrungen in Beziehungen widerspiegelt", sagt Ravin Alaei. Und tatsächlich deutet in der aktuellen Studie alles darauf hin, dass wir immer zu den Liedern zurückkehren, die das ausdrücken, was wir in einer Beziehung gerade durchmachen - im Guten wie im Schlechten.

Alaei empfiehlt darum, auf Songtexte zu achten: "Die Texte deiner Lieblingssongs über Beziehungen können dazu beitragen, deine Gedanken und Gefühle zu bestätigen, aber sie können auch Dinge über deine Beziehungserfahrungen offenbaren, die dir vielleicht gar nicht bewusst sind - etwas, das du immer wieder durchmachst und auf das du immer wieder stößt."

Welche Bindungsstile gibt es?

Bindungsstile lassen sich grob in vier Kategorien einteilen, sagt Alaei. Dabei haben ängstlich gebundene Menschen Angst, zurückgewiesen zu werden und suchen in ihren Beziehungen viel Bestätigung. Vermeidend gebundene Menschen hingegen reagieren auf ihre negativen Erwartungen an Beziehungen, indem sie Gefühle und Intimität zugunsten von Unabhängigkeit ausblenden. Menschen mit einem gemischten Bindungsstil haben konfuse Erwartungen und schwanken zwischen Anhänglichkeit und Kälte. Menschen mit einem sicheren Bindungsstil schließlich haben eine optimistische Einstellung zu Beziehungen, sind offen in der Kommunikation und vertrauen ihren Partnern.

Die Forscher:innen baten 570 Personen, ihre Lieblingslieder zu nennen, und analysierten die fast 7.000 Songs dann nach dem Bindungsstil, den ihre Texte ausdrücken.
Als Songs, die einen ängstlichen Bindungsstil ausdrücken, benannten die Forscherinnen beispielsweise Adele "Someone Like You", Drake "Hotline Bling" oder Miley Cyrus "Wrecking Ball". Als Songs, die einen sicheren Bindungsstil repräsentieren, identifizierten sie unter anderem Ed Sheeran "Thinking Out Loud", Justin Bieber "Holy" oder Whitney Houston "I Will Always Love You". Als Songs mit einem vermeidenden Stil galten Rihanna "Take a Bow", The Weeknd, The Hills "Heartless" oder N'Sync "Bye Bye Bye" (eine umfassendere Liste gibt es unten).

Die Wissenschaftler stellten fest, dass vermeidend gebundene Menschen durchweg Musik mit vermeidenden Texten bevorzugen. Eigentlich hatte Alaei erwartet, dass der Zusammenhang eher bei ängstlichen Bindungstypen am stärksten wäre. Dieser Zusammenhang war aber eher schwach ausgeprägt.

Vermeidung trendet in der Gesellschaft und in Songtexten

Der starke Zusammenhang bei den Vermeidungstypen zeigt sich nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Es sind nämlich auch die Liedtexte im Laufe der Zeit immer vermeidender und unsicherer geworden. Der Forscher und sein Team hatten über 800 Billboard-Nummer-eins-Hits von 1946 bis 2015 auf ihre Bindungsthemen untersucht und dabei diesen Trend festgestellt.
"Populäre Musiktexte laufen parallel zu soziologischen Trends der sozialen Abkopplung - die Menschen schätzen Unabhängigkeit gegenüber der Abhängigkeit von anderen und fühlen sich zunehmend isoliert", sagt Alaei.

Und ist das jetzt gut oder schlecht, wenn wir Musik hören, die genau zu dem passt, wie wir uns auch in Beziehungen fühlen? Laut Alaei wäre dies noch genauer zu erforschen. Zumindest könne das Hören solcher Songs, die das eigene Verhalten widerspiegeln, helfen, den eigenen Bindungstyp besser zu verstehen. Aber es ist auch denkbar, dass beispielsweise ängstliche Bindungstpyen sich von der Musik, zum Beispiel von Adeles Someone Like You, eher negativ beeinflussen lassen, weil die Musik Emotionen und Erinnerungen hervorruft, die Sorgen und Ängste noch verstärken.

Sein Rat ist darum, sich Lieder anzuhören und sich dabei klarzumachen, was man gerade fühlt und durchmacht. Und dann selbst zu entscheiden, ob die Musik hilft oder die Sache nur noch schlimmer macht. Vielleicht kommt man dann zu dem Schluss, dass man sich mit Musik besser fühlt, die einem ein Gefühl der Sicherheit vermittelt.

Songs, deren Texte in der Studie bestimmten Bindungstypen zugeordnet wurden

Vermeidende Songs:

Beyoncé, Irreplaceable
Chris Brown, Say Goodbye
N'Sync, Bye Bye Bye
Michael Jackson, Billie Jean
TLC, Scrubs
Rihanna, Take a Bow
The Weeknd, The Hills; Heartless

Ängstliche Songs

Adele, Someone Like You
The Police, Every Breath You Take
Miley Cyrus, Wrecking Ball
Adele, Hello
U2, One
Seether, Broken
No Doubt, Don't Speak
Bruno Mars, When I Was Your Man
Drake, Hotline Bling

Sichere Songs:

Sonny & Cher, I Got You Babe
Whitney Houston, I Will Always Love You
The Beatles, Love Me Do
Ed Sheeran, Thinking Out Loud
Plain White Ts, I Love You
John Legend, All of Me
Michael Bublé, Haven't Met You Yet
Beach Boys, Wouldn't It Be Nice
Bryan Adams, (Everything I Do) I Do It for You
Etta James, At Last
Justin Bieber, Holy

Ängstlich-vermeidende Songs:

Carrie Underwood, Before He Cheats
Gotye, Somebody that I Used to Know
Taylor Swift, Bad Blood
Sam Smith, I'm Not the Only One
Ne Yo, So Sick
Bonnie Raitt, I Can't Make You Love Me
Adele, Rolling in the Deep
Rihanna ft. Drake, Work
Eminem ft. Rihanna, Love the Way You Lie

Quelle:

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung via eurektalert.org - Stand: 14. November 2022