Aufklärung oder Gefahr?

Bayerischer Philologenverband will Hitlers Hassschrift "Mein Kampf" im Schulunterricht lesen lassen

Nazi-Propaganda im Unterricht? Wenn es nach dem Vorsitzenden des Bayerischen Philologenverbandes (bpv) Max Schmidt geht, sollen Bayerns SchülerInnen ab 2016 Teile von Hitlers Propagandawerk "Mein Kampf" im Unterricht lesen. Sein Argument: "Die kritische Auseinandersetzung mit dem Originaltext von Hitlers "Mein Kampf" sollte Teil einer verantwortungsvollen historischen Bildung und der demokratischen Erziehung an den weiterführenden Schulen sein."

Ende 2015 endet die gesetzliche Schutzfrist zum Abdruck der nationalsozialistischen Hetzschrift. Danach könne faktisch jeder "Mein Kampf" unkommentiert nachdrucken und in Umlauf bringen, so der Philologenverband. Daher will er bis 2015 eine neue wissenschaftlich kommentierte Gesamtausgabe sowie eine speziell für Schulen konzipierte Aufarbeitung von Hitlers Hassschrift herausgeben.

*Kritiker warnen: "Dieser Plan könnte die NPD stärken"*
Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen LehrerInnenverbands (BLLV), spricht sich entschieden gegen diesen Plan aus; er warnt in einem Interview mit der Süddeutschen davor, dass der Plan die NPD sogar stärken könnte.
Er habe viel zu oft erlebt, dass junge Männer fasziniert waren vom Nationalsozialismus, nachdem er in der Schule durchgenommen wurde, begründet er seine Ablehnung. Viel sinnvoller fände er es, wenn SchülerInnen Biographien von verfolgten und ermordeten jüdischen LehrerInnen recherchierten und sie erführen, wie diese Menschen vor der Nazi-Zeit gelebt haben und was ihnen das Hitler-Regime angetan hat.

*"An den Quellen orientierte Aufklärung"*
Die Befürworter der Idee sind dagegen überzeugt: "Ein Unterricht, der Hitlers krude und hetzerische Ideen offenlegen und entlarven will, muss dazu auch auf seine Originaltexte als historische Quellen zurückgreifen dürfen." Schmidt hält nichts davon, den Umgang mit diesen und anderen NS-Texten aus Angst vor einer ´Infektion´ junger Menschen mit rechtextremem Gedankengut zu tabuisieren. Dadurch vergäbe man eine Chance, über den Nationalsozialismus aufzuklären, Rechtsextremismus und Neonazismus zu bekämpfen und damit aktiv einen Beitrag zur Erziehung zur Demokratie zu leisten. "Wer Schülern diese Texte vorenthalten und damit eine objektivierbare, an den Quellen orientierte Aufklärung bewusst verhindern will, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, damit rechtsradikalen Chaoten und menschenverachtende Ideologen in die Hände zu spielen: Denn die Tabuisierung würde diesen Rattenfängern weiter die Möglichkeit eröffnen, von Unwissenheit und Unaufgeklärtheit junger Menschen zu profitieren", ereifert sich Schmidt.

*Konstruktiv mit dieser Geschichtsepoche umgehen*
Wenzel hingegen sieht keinen Sinn dahinter. "Wir sollten dieses Interesse nicht bewusst wecken. Außerdem gibt es pädagogisch weitaus sinnvollere Texte, die wir im Unterricht ohnehin schon behandeln, einige Reden von Adolf Hitler zum Beispiel. Wir würden ja auch nicht den Völkischen Beobachter in der Schule lesen." erklärt er auf sueddeutsche.de. SchülerInnen "Mein Kampf" in die Hände zu geben, sei so, als wenn man sie vor Alkoholismus schützen wolle, indem man ihnen im Unterricht Schnaps hinstellen und ihnen dann sagen würde, wie schlecht er schmeckt und dass ihnen davon übel wird. "Wenn ich den Nationalsozialismus und das, was er angerichtet hat, bewerten will, muss ich jungen Menschen Angebote machen, wie sie konstruktiv mit dieser Geschichtsepoche umgehen können."

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Autorin / Autor: Redaktion; - Stand: 27. April 2012