Größe: Auf den Hunger kommt es an

Macht Fasten sensibel? Beeinflusst Hunger die Wahrnehmung? Und wenn ja, wie?

Menschen, die fasten, schwärmen davon: Hungern erhöhe die Sensibilität für Gerüche und Geschmäcker. Selbst ein Stück Apfel werde zum Festmahl, habe man vor dem Verzehr nur ausreichend gehungert. Ob das tatsächlich stimmt, haben die Sozialpsychologen Dr. Sascha Topolinski und Dr. Philippe Türk Pereira untersucht.
In insgesamt vier Experimenten haben die beiden getestet, ob Hunger die Wahrnehmung tatsächlich beeinflussen kann.

Maßstab für sie war die Größenwahrnehmung im Mund, zu der es verschiedene entgegengesetzte Theorien gibt. Manche glauben nämlich, Hunger lasse Objekte im Mund kleiner erscheinen, nach dem Motto: "Waaaas? Von dem Bisschen soll ich satt werden?" Andere hingegen meinen, Hunger sensibilisiere die sensorischen Empfindungen im Mund, so dass einem Objekte größer vorkommen.

Welche der beiden Hypothesen nun tatsächlich zutrifft, haben die beiden Psychologen experimentell untersucht. Sie ließen hungrige und satte Testpersonen die Größe von Objekten testen, etwa die Länge eines Strohalmes oder die Größe eines Kaubonbons. Mal sollten die ProbandInnen nur mit den Händen schätzen, mal nur mit dem Mund, ohne das jeweilige Objekt zu sehen.

Hierbei zeigte sich, dass Hungrige Strohhalme und Kaubonbons im Mund größer einschätzten, als ihre satten MitstreiterInnen. Bei den Schätzungen durch die Hand gab es kaum Unterschiede zwischen Hungrigen und Satten.

Der Effekt war allerdings nach mehreren Durchgängen nicht mehr erkennbar. Die Forscher glauben, dass der Mund nach einigen solcher Übungen seine durchs Hungern gewonnene Sensibilität wieder verliert. Das zeigte sich auch in einem Versuch, wo einige der Testpersonen Kaugummi zu kauen bekamen. Kaugummi macht nicht satt und kann Hunger sogar noch verstärken, dennoch schätzten bei diesem Versuch die Kaugummikauer - ob hungrig oder nicht - in etwa gleich, während bei den Nichtkaugummikauern wieder der zuvor beobachtete Unterschied auftrat.

"Die Fastenbewegung hat recht", fassen die beiden Forscher ihre Ergebnisse zusammen. Hungern mache den Mund tatsächlich empfindlicher für Reize und führe daher zu einer Größenüberschätzung. Ein Befund, der ihrer Meinung nach sogar unsere traditionelle Esskultur erkläre: „Vorspeisen und Suppen sind in der Regel zarter und feiner als Hauptspeisen. Das liegt wohl daran, dass wir am Anfang einer Mahlzeit hungriger sind und unser Mund noch keine groben und intensiven Erfahrungen verträgt, wir also zarte und delikate Speisen bevorzugen“, sagt Topolinski. Erst, wenn der Mund an die Nahrungsaufnahme gewöhnt sei, könne die Hauptmahlzeit mit kräftigeren Sinneseindrücken genossen werden. Wäre die Gier-Hypothese richtig, müsste es anders herum sein: Die Vorspeisen müssten üppig und kräftig und die Hauptspeisen leicht und zart sein.

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Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 6. März 2012