Maskulina schaffen Distanz

Sprachwissenschaftler untersucht Benennung von Frauen und Männern in Texten

Die deutsche Sprache gibt uns - anders als zum Beispeil die englische - die Möglichkeit, Männer und Frauen explizit anzusprechen: Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen, Bürger und Bürgerinnen und so weiter. Frauen sind sprachlich feminin, Männer sprachlich maskulin. Alle, die Deutsch sprechen, stehen daher vor Problemen, wenn es gilt, eine Gruppe anzusprechen, die aus Männern und Frauen besteht.

„Dies ist ein heikles Thema, nicht nur für Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen, sondern für alle, die Deutsch sprechen. Nicht zuletzt, weil diese Thematik mit der Frage verknüpft ist, wie man Frauen in der Sprache und damit in der gesamten Diskussion über Gleichberechtigung sichtbar machen will", so Magnus Pettersson. Er ist Autor einer Dissertation mit dem Titel "Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen im Deutschen. Eine Referenz- und Relevanzanalyse an Texten", die er am Institut für Sprachen und Literaturen veröffentlicht hat. Viele AutorInnen machen es sich leicht und verwenden ausschließlich Maskulina, beispielsweise „der Student" oder „der Lehrer". Die maskuline Form erhält dabei eine allgemeine, angeblich geschlechtsneutrale Bedeutung. Das Problem bei dieser Vereinfachung ist aber, dass das Maskulinum Frauen sprachlich zur Unsichtbarkeit verdammt und somit diskriminiert. Deshalb haben Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen Doppelformen des Typs „der Lehrer und die Lehrerin" vorgeschlagen. Solche feministischen Formen werden in der deutschen Schriftsprache parallel zu maskulinen und neutralen Formen verwendet, wo man darauf verzichtet, das Geschlecht zu markieren.

Magnus Pettersson hat die Variation solcher Bezeichnungsstrategien genauer untersucht, vor allem in feministischen Magazinen wie „Emma", wo Verdoppelungen als politisch korrekt gelten und folglich intensiv genutzt werden, aber auch in anderen modernen Texttypen.

Nicht einmal Feministinnen und Feministen sind konsequent

„Es zeigt sich, dass nicht einmal Feministinnen und Feministen konsequent sind. Es rutschen einzelne maskuline Formen durch, und vor allem häufig dann, wenn es sich bei den bezeichneten Personen um Personengruppen handelt, die auf die eine oder andere Weise stereotyp männlich sind, oder wenn man von ihnen bewusst Abstand nehmen will." Auf diese Weise würden Maskulina im feministischen Zusammenhang Marker für Abstand und Reservation.

Ein weiteres Ergebnis sind Verdoppelungen, die zur Ansprache bestimmter Gruppen genutzt werden, beispielsweise „Liebe Leserinnen und Leser". „Hier spricht man Männer und Frauen explizit an, da die angesprochenen Leser und Leserinnen sich eingeschlossen fühlen sollen, unabhängig davon, ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Dagegen kann man problemlos im gleichen Text Maskulina verwenden, wenn diese sich auf gemischte Gruppen beziehen." Das sprachliche Bewusstsein vom Geschlecht sei also in der Praxis davon abhängig, was die AutorInnen ausdrücken, wen sie ansprechen wollen und welchen Texttyp sie verwenden. Die Dissertation von Magnus Petterssons ist möglicherweise die erste, die sich der Anwendung des Genus bei deutschen Personenbezeichnungen auf der Grundlage einer beschreibenden textanalytischen Perspektive nähert.

„Viele Forscherinnen und Forscher, die sich dieser Thematik widmen, tun dies mit einer klaren sprachpolitischen Ansicht. Sie wollen deutlich machen, wie es sein sollte, z. B. dass maskuline Sprachformen, die sich auf Frauen beziehen, eine Unart sind. Daran bin ich nicht interessiert. Sprachforschung verfolgt in erster Linie das Ziel, den Zustand der Dinge zu beschreiben, nicht normativ festzulegen, was richtig oder falsch ist."

Quelle

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Autorin / Autor: Redaktion/ idw.de - Stand: 7. Oktober 2010