Weniger Morde durch mehr Chancen?

Bessere Bildung könnte Kriminalität senken

Schlau ist, wer sich nicht schlägt – und diejenigen, die sich weniger schlagen und seltener kriminell werden, sind anscheinend tatsächlich die gebildeteren Jugendlichen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann Stiftung. Die Untersuchungen haben erstmals einen Zusammenhang zwischen unzureichender Bildung und Kriminalität nachgewiesen.

Demnach würde die Zahl an Gewalt- und Eigentumsdelikten deutlich sinken, könnte die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss halbiert werden. Hochgerechnet auf das vergangene Jahr hätte es in diesem Fall rund 420 Fälle von Mord und Totschlag, 13.500 Raubüberfälle und 320.000 Diebstähle weniger gegeben, so die Forscher.

1771 Gefängnisinsassen wurden für die Untersuchungen nach ihrem Bildungsabschluss befragt. Zusätzlich standen den Wissenschaftlern die Kriminalitäts- und Strafverfolgungsstatistiken zur Verfügung.

Das wenig überraschende Ergebnis: mangelnde Bildung führt statistisch zu mehr Kriminalität. Aber auch andere Faktoren wie Vorstrafen im Elternhaus spielen eine Rolle für kriminelles Verhalten.  Anders als bei der Bildung könne die Gesellschaft aber auf diese Faktoren kaum Einfluss nehmen.

"Unser Bildungssystem lässt viel zu viele Schüler scheitern", sagt Dr. Jörg Dräger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. "Das hat für die ganze Gesellschaft dramatische Folgen, zum Beispiel mehr Kriminalität, hohe Folgekosten oder soziale Konflikte". Jugendliche brauchen eine Perspektive für ihr weiteres Leben. Aufgabe der Bildungspolitik muss es sein, allen Jugendlichen die Möglichkeit zu einem erfolgreichen Berufsleben und zur sozialen Teilhabe in der Gesellschaft zu eröffnen, so Dräger: "Wir dürfen Schulabgänger ohne Abschluss nicht in eine Schublade stecken, wir müssen ihnen helfen."

Nach wie vor verlassen Jahr für Jahr Zehntausende Jugendliche die Schule ohne Hauptschulabschluss - im Sommer 2009 waren es mehr als 58.000 junge Menschen. Ein Viertel von ihnen kommt aus Hauptschulen, mehr als die Hälfte stammt aus Förderschulen. Die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss lasse sich daher nur halbieren, wenn das bisherige Förderschulsystem weitgehend aufgegeben werde, so Dräger: "Alle Bundesländer und Schulformen müssen deshalb die Weichen zügig und konsequent in Richtung inklusives Schulsystem stellen." Zudem fordert er: "Vor allem Schulen in sozialen Brennpunkten benötigen unsere sofortige Unterstützung durch ein Sonderprogramm - mehr finanzielle Mittel, die besten Lehrer." So könne eine neue Lernkultur entstehen, die individuelle Förderung und rechtzeitiges Handeln gegen Schulverweigerung möglich macht.

Dräger sieht dabei nach dem Schulabschluss die Berufsausbildung "als weiteren entscheidenden Schritt zu fairen Bildungschancen: Jeder Jugendliche sollte das Recht auf einen Ausbildungsplatz, aber auch die Verpflichtung zu einem Berufsabschluss haben." Erst dadurch werde die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen überwunden.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 11. November 2010