Diesen Mut brauchen wir jetzt alle

Rosi beschreibt, wie es sich für sie anfühlt, in der Redaktion zu sitzen in einer Zeit, die alle Gewissheiten über Bord zu werfen scheint

Ich sitze am Schreibtisch und versuche zu arbeiten – es treffen Mails ein – ganz normale, wie Buchbestellungen, Rezensionen, Anfragen zu Kooperationen, oder neue Kinostarttermine. Eigentlich steht die Bestückung des Newsletters an… Aber es ist Krieg. Und zwar einer, der ganz nah ist, in einem unserer Nachbarländer, der Ukraine. Wie lässt es sich da normal weiterarbeiten nach inzwischen fünf Tagen Bombardement, fünf Tagen Nachrichten über flüchtende Menschen, Leid und Elend? Satz- und Wortfetzen fegen durch meinen Kopf, lassen mir kaum Zeit, mich zu orientieren, in dieser neuen Welt der militärischen statt diplomatischen Auseinandersetzung : Zeitenwende … Waffenlieferungen, 100 Milliarden Euro Sonderaufstockung für die Bundeswehr… Atomwaffen in Alarmbereitschaft…  Es fühlt sich alles so unwirklich an…

Die letzten Tage verbrachte man vorwiegend vor dem Radio, dem Fernseher, im Internet, um sich zu informieren, sich ein Bild zu machen, um sich nicht mehr so hilflos zu fühlen… Aber ich merke, es hilft nicht wirklich – je mehr Informationen ich habe, desto mehr schwirrt der Kopf. Ich bin wütend auf diesen Diktator, der so einfach in ein anderes Land einmarschiert und unermessliches Leid über die Menschen bringt und globale Friedensordnungen von einem auf den anderen Tag umwirft. Der eine Institution wie die Vereinten Nationen, die einst gegründet wurde, um den Weltfrieden zu sichern, durch sein Veto verhöhnt. Ich bin schockiert über eine Situation, die ich im 21. Jahrhundert nicht für möglich gehalten hätte (wobei ich das bei allen Kriegen weltweit denke!). Aber jetzt ist es so nah, und könnte auch das Land miteinbeziehen, in dem ich zuhause bin…

Ich schaue mir an, welche Entscheidungen die Politik trifft – vieles davon sieht für mich auf den ersten Blick vernünftig aus und scheint unausweichlich: Wirtschaftssanktionen, Finanzsanktionen, militärische Unterstützung der Ukraine. Aber das sind alles Dinge, die wir als „normale“ Büger_innen selbst nicht wirklich mitgestalten können. Uns bleibt nur, unser Entsetzen, unser Mitgefühl für die direkt betroffenen Menschen auf die Straße zu tragen, was ja zum Glück auch sehr sehr viele in den letzten Tagen gemacht haben. Weltweit. Das tut gut, denn man sieht, wie groß der Schrecken über einen Krieg ist, den man in Europa so niemals mehr erwartet hat….

Ich bin voller Bewunderung für die mutigen Menschen in der Ukraine, die ihre Freiheit verteidigen, ihr Zuhause und frage mich, ob auch ich den Mut aufbringen könnte. Ich bewundere aber auch die Menschen in Russland, die sich gegen ihren despotischen Präsidenten stellen und auf die Straße gehen, um „Nein zum Krieg“ zu rufen. Sie wissen von vornherein, wenn sie das tun, landen sie höchstwahrscheinlich im Gefängnis. Aber es scheint, dass es etwas in diesen Menschen gibt, das größer als die Angst ist, und das macht Mut! Mut, sich für die Menschlichkeit einzusetzen, koste es was es wolle. Diesen Mut brauchen wir jetzt alle!