Von der Faszination dunkler Geheimnisse

Karen McManus hat nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans „One of us is lying“ ihren zweiten Roman „Two can keep a secret“ im Oktober 2019 veröffentlicht, ihr dritter Roman „One of us is next“ ist gerade in den USA erschienen und kommt im Mai in die deutschen Buchhandlungen. Annika hat die amerikanische Autorin im Rahmen ihrer Lesereise durch Deutschland gefragt, wie sie das Schreiben für sich entdeckt hat, warum in ihren Büchern Geheimnisse so eine große Rolle spielen und welche Tipps sie für angehende Autor_innen hat.

Karen M. McManus, Foto: Kaitlyn Litchfield Photography

*Ich habe gelesen, dass Sie im Alter von acht Jahren mit dem Schreiben angefangen haben. Ist es schon immer Ihr Traum gewesen, Autorin zu werden, oder haben Sie manchmal auch daran gedacht, Detektivin oder Anwältin zu werden, so wie Ellery in „Two can keep a secret“?*
Es war mein frühester Traum, Autorin zu werden. Schon als ich ein kleines Kind war, wollte ich das, bis ich in der High-School war. Aber dann fing ich an, daran zu zweifeln und dachte, dass es doch wirklich schwer ist, eine Autorin zu sein, und dass ich vielleicht nicht gut genug bin. Ich hatte viele Selbstzweifel und legte das Schreiben dann erstmal beiseite. Als ich mit dem College fertig war, habe ich tatsächlich vorerst erwogen, Anwältin zu werden. Ich habe sogar die Prüfung gemacht, die man ablegen muss, um Jura studieren zu dürfen, und diese ist sehr gut ausgefallen. Aber dann habe ich einen Sommer lang in einer Anwaltskanzlei gearbeitet und beschlossen, dass das doch nichts für mich ist, weil es mir nicht gefiel.

*In beiden Romanen sind Schrecken, Angst und Mord sehr wichtige Themen. Was fasziniert Sie daran?*
Ich fühlte mich schon immer zu True Crime Stories hingezogen. Ich denke, für mich kam das in einer Zeit, in der ich viel Angst hatte. Als kleines Kind war ich immer sehr besorgt, was passieren würde und dass schlimme Dinge geschehen könnten. Und als ich anfing, solche Bücher zu lesen, gab es etwas Seltsames, das mich dazu befähigte, die Kontrolle über die beängstigenden Erfahrungen zu haben: Ich konnte die Bücher weglegen, wenn es mir zu viel wurde und ich konnte wieder weiterlesen, wenn ich dazu bereit war. Das half mir, meine Angst zu verarbeiten. Ich denke, das gilt für viele Menschen. Es gibt einem irgendwie Sicherheit, wenn man etwas Schreckliches in einem Buch- oder Filmformat erlebt; das ist fast kathartisch.

*Würden Sie sich selbst als mutig bezeichnen? Also hätten Sie im Alter von siebzehn Jahren an einem Tatort umhergehen können, wenn der Mörder noch in der Umgebung ist, wie Ellery es getan hat?*
Nein, Ellery ist viel mutiger als ich. Ich wäre zu Hause auf meiner Couch geblieben und hätte die Polizei ihre Arbeit machen lassen.

*Vor einigen Monaten habe ich mit einem deutschen Autoren gesprochen, der auch Mysterybücher für junge Erwachsene schreibt. Er sagte, dass er manchmal Angst vor seiner eigenen Geschichte hat, er dann nicht schreiben kann und eine Pause machen muss. Kennen Sie ähnliche Situationen?*
Nein, ich hatte noch nie Angst vor meiner eigenen Geschichte. Was ich jedoch sagen muss, ist, dass ich mich kurz vor dem Schluss jedes Buchs zum Weinen bringe, weil die Charaktere dann einen wichtigen Höhepunkt erreicht haben. Sie haben viel erlebt und ich werde wirklich emotional. Wenn ich mich zum Weinen bringe, dann habe ich das Gefühl, dass ich mit dem Buch gute Arbeit geleistet habe! Wenn mir das nicht gelingt, dann muss ich wieder zurückgehen und etwas mehr Emotionen hineinbringen...

*Beziehen Sie sich in Ihren Geschichten auf echte Kriminalfälle?*
Bei "Two can keep a secret" wurde ich von einem wahren Kriminalfall inspiriert. Es war ein Vermisstenfall, aber er hatte keine Ähnlichkeiten mit dem, worüber ich geschrieben habe.  Was ich spannend fand, war der “Welleneffekt”, der bei der neuen Generation aufkam. Bei Kindern in deinem Alter. Sie haben die vermisste Person nie gekannt, aber durch deren Verschwinden war ein Loch in ihrem Leben zurückgeblieben und das berührte sie sehr. Diese Charakterzüge habe ich dann auf Ellery übertragen.

*Ihr drittes Buch „One of us is next“ ist vor wenigen Tagen auf Englisch erschienen (2. Januar 2020). "Two can keep a secret" wurde gerade mal ein Jahr vorher, im Januar 2019, in den USA veröffentlicht. Schreiben Sie Ihre Bücher immer so schnell?*
Ja, also ich denke schon, dass ich eine schnelle Schriftstellerin bin. "One of us is next", habe ich in gerade mal drei Monaten geschrieben. Mein viertes Buch "The Cousins" hätte ich auch so schnell schreiben können, aber zu der Zeit hatte ich viele andere Dinge zu tun und konnte es nicht in einem Zug schreiben: Ich musste mit "Two can keep a secret" auf Tour gehen, Korrekturen für "One of us is next" machen und so wurde ich immer wieder unterbrochen. „The Cousins“ brauchte dann ein Jahr, bis ich es fertig geschrieben hatte, aber eben nur, weil ich nie genug Zeit hatte, mich nur darauf zu konzentrieren. Also würde ich sagen: Wenn alles gut läuft, brauche ich zwei bis drei Monate, um ein Buch zu schreiben.

*Wie oft überarbeiten Sie ein Buch im Allgemeinen?*
Normalerweise ist das Buch, das in den Regalen veröffentlicht steht, der neunte Entwurf meines Buches. Den ersten Entwurf überarbeite ich selbst, die Entwürfe Zwei bis Drei sind normalerweise mit meinen Kritiker_innrn und mit meinen „Authentizitätsleser_innen” entstanden. Das sind Leute, die ich ausgewählt habe, weil sie einen anderen Hintergrund haben als ich, in anderen Lebens- und Berufswelten leben und deshalb auch anders schreiben. Menschen, die dafür sorgen, dass ich respektvoll und authentisch bin.
Dann geht der Entwurf Vier an meine Agenten, dann überarbeiten wir noch mehr. Danach gehen der fünfte, sechste und siebte Entwurf zu meinem Herausgeber. Das bedeutet immer große, große Änderungen! Zum Beispiel wird dann beschlossen: "dieser Charakter wird gestrichen" oder "diese Handlung ist zu langsam". Die letzten paar Entwürfe sind dann nur noch Szenenbearbeitungen, Zeilen-  und Schlusskorrekturen. Das sind dann aber wirklich die letzten Änderungen. Glücklicherweise machen das andere, denn zu diesem Zeitpunkt habe ich das Buch bereits so oft gelesen, dass ich nicht mehr bemerke, ob ein Komma falsch ist, oder nicht. Aber genau das ist die Art von Fehler, nach dem sie suchen.

*Warum haben Sie das Stand-alone-Mysterybuch "Two can keep a secret" zwischen zwei Bänden einer Buchreihe veröffentlicht? Sie planen, Ihr viertes Buch "The Cousins" im Dezember 2020 auch als eigenständiges Mysterybuch zu veröffentlichen. Ist das Schreiben von einzelnen Büchern für Sie wie eine Pause oder eine Erholung?*
Ich habe "One of us is lying" nicht wirklich mit der Absicht geschrieben, dass es eine Fortsetzung geben würde. Das war leser- und auch verlagsgetrieben, weil die Leute einen zweiten Band wollten, und auch weil ich dachte, dass es mehr über das „Two-Can-Keep-A-Secret-Universum“ zu sagen gäbe. Ursprünglich hatte ich es aber als einzelnes Buch geplant. Ich denke, bei dem ersten Buch ging es mehr um Mysterien, bei dem zweiten mehr um Charaktere. Im Moment arbeite ich an einem fünften Buch und auch das ist wieder ein Einzelbuch. Das heißt aber nicht, dass ich nie wieder eine Serie machen werde. Man weiß nie, vielleicht könnte irgendwann auch dieses seine Fortsetzung bekommen.

*Warum sehen die Cover Ihrer ersten beiden Bücher so ähnlich aus, fast so, als ob sie zusammengehörten, obwohl die beiden Bücher verschiedene Geschichten mit unterschiedlichen Hauptfiguren sind?*
Ich denke, dass das zum Teil daran liegt, dass die Titel, die wir uns überlegt hatten, so gut zusammenpassten! Zum anderen ist es auch so, dass Verleger junge Autoren branden wollen. Sie wollen, dass die Leute sofort erkennen, dass dieses Buch von dir ist. Sodass die Leute, die dein erstes Buch mögen, sagen: "Oh, vielleicht werde ich auch das zweite Buch mögen". Die Verlage entwerfen also die Cover so, dass sie einen ähnlichen “Look & Feel” haben.

*Haben Sie damals die Titel ausgewählt oder hat der Verlag das getan?*
Der Titel „One of us is lying“ war meine Idee. Eigentlich wähle ich alle meine Titel selbst aus, nur „Two can keep a secret“ war eine Ausnahme. Mein Verlag schlug diesen Titel vor, er gefiel mir und ich war sehr glücklich damit. Ich selbst hatte vorher keinen guten Titel gefunden, das Buch hieß lange Zeit einfach nur „Echoridge“.

*Ihr neues Buch „Two can keep a secret“ ist sehr logisch aufgebaut. Wie entwickeln Sie den Plot? Haben Sie eine spezielle Schreibmethode?*
Ich benutze das Drehbuch-Schreibtool „Beat Sheet“. Es ist eigentlich eine Art EXCEL-Dokument.
Jede Geschichte folgt einem ähnlichen Spannungsbogen: Da ist der Anfang – das Leben ist normal und plötzlich „BAM“, gibt es einen spannenden Vorfall und alles ändert sich. Dann lernen und wachsen deine Charaktere, es gibt antagonistische Kräfte, die auf sie zukommen und sie wissen noch nicht, wie sie sie überwinden sollen. Dann erreichen sie ihren Höhepunkt – und dann folgt das Ende. Es gibt also eine Art Muster in jeder Geschichte – was nicht heißt, dass jede Geschichte genau diesem Muster folgen muss. Aber es ist wirklich hilfreich, wenn man sich genau überlegt, mit welchem Material man die Geschichte füllen will und was die wichtigen Momente sein sollen. Also schreibe ich erstmal die großen „Beats” meines Buches. Anschließend schaue ich mir die Stellen dazwischen an und denke: „Was muss hier passieren, was ist interessant, wie entwickeln sich die Charaktere, sodass Spannung entsteht?“. Denn es gibt auch viele kleine Momente, die wichtig für die Geschichte sind und interessant geschrieben werden müssen.

*Was reizt Sie daran, eine Geschichte aus der Sicht verschiedener Charaktere zu schreiben?*
Bei „One of us is lying“ habe ich das erste Mal aus der Sicht von mehreren, genauer gesagt vier Personen geschrieben. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte die unterschiedlichen Perspektiven brauchte. Sie musste von jeder und jedem Einzelnen erzählt werden, die oder der mit Simon im Raum war.
Mit jedem Charakter muss man eine eigene Reise machen. Und jede Reise muss an einem Ort beginnen und an einem anderen enden. Also musste ich im Falle von "One of us is lying" dies viermal tun: Ich musste vier Arten von „Zuhause“, vier verschiedene Traumwelten, vier Arten von Ängsten, vier Familiengeschichten haben. Um das zu erreichen, muss man seine Charaktere wirklich sehr gut kennen – das bedeutet eine Menge Arbeit: Ich muss sehr genau über die Charaktere nachdenken. Um sie besser kennenzulernen, schreibe ich Charakterblätter: Ich interviewe meine Charaktere, stelle ihnen Fragen darüber, wie sie aussehen, welche Musik sie mögen, wie ihre Familien sind. Und ich erstelle für jeden von ihnen eine Playlist, die ich beim Schreiben laufen lassen kann. Sie hilft mir, an die Charaktere zu denken. So kann ich mich viel besser in sie hineinversetzen. Ich brauche diese Playlists ungefähr bis zur Hälfte des Buches, dann habe ich die Charaktere schon gut genug kennengelernt, um zu wissen, wie sie handeln.
Ich mag es, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu erforschen. Diese Methode ist außerdem auch hilfreich, um Spannungen aufzubauen und eignet sich hervorragend für Mysterien.

*Was hat Ihnen mehr Spaß gemacht: „One of us is lying” aus der Perspektive von vier Personen, oder "Two can keep a secret" aus der Sicht von nur zwei Personen zu schreiben?*
Es war viel einfacher, aus zwei Perspektiven zu schreiben, weil es nur diese zwei Geschichten waren, die ich im Auge behalten musste. Aber ich habe es geliebt, "One of us is lying" zu schreiben, denn diese Charaktere waren meine ersten Charaktere, die sich für mich wirklich wie echte Menschen anfühlten.

*Mögen Sie Ihre Figuren, fühlen Sie Sympathien für sie?*
Ich empfinde sehr viel Sympathien für meine Figuren. Und ich fühle mich sehr schlecht, weil ich schrecklich zu ihnen bin. Aber sie müssen diese Dinge erleben, um die besten Versionen von sich selbst zu werden… Also „foltere“ ich sie quasi zu ihrem eigenen Wohl.

*Haben Sie eine Lieblingsfigur?*
Das ist schwer zu sagen. Das wäre so, als würde man versuchen, sein Lieblingskind auszuwählen. Aber der Charakter, der mir am meisten Spaß beim Schreiben gemacht hat, war Nate. Es war wirklich klar, was er wollte, er war mir sehr nah und ich hatte immer das Gefühl, dass er selbst das Schreiben erledigt und ich nichts tun muss. Wenn ich gerade eine Szene beendet hatte, musste diese nie überarbeitet werden. Von ihm sind die meisten Sätze unverändert geblieben, er war einfach ein leicht zu schreibender Charakter. Wenn man in mehreren Perspektiven schreibt, lernt man einen Charakter wie Nate wirklich zu schätzen.

*Für mich ist das mysteriöse Verschwinden von Menschen eines der Hauptthemen von "Two can keep a secret". Ein anderes ist das Verheimlichen von Dingen, über die man eigentlich reden sollte, besonders zwischen Familienmitgliedern. Was waren Ihre ersten Ideen oder Ihre ersten Gedanken, als Sie angefangen haben, das Buch zu schreiben?*
Es begann mit der Frage: Gibt es einige Geheimnisse, die nicht erzählt werden sollten? Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, was die Geheimnisse des Buches sein werden. Ich dachte nur, dass das eine wirklich interessante Frage war, die die Charaktere sich selbst stellen könnten und diese dann am Ende des Buches beantwortet werden könnte. Wie ich bereits erwähnt habe, habe ich dieses Buch mehrmals geschrieben, um das richtige Geheimnis zu finden, und so gab es erstmal mehrere Geheimnisse. Es war dann der dritte Entwurf, bei dem ich endlich das Gefühl hatte, das Geheimnis gefunden zu haben, nach dem ich suchte.
Ich finde, über die Frage "Gibt es einige Geheimnisse, die nicht erzählt werden sollten?", kann man sehr lange nachdenken, ohne gleich eine Antwort parat zu haben! Wenn mich die Leute fragen, ob ich vielleicht eine Fortsetzung von "Two can keep a secret" schreiben kann, sage ich deshalb auch: „Ich weiß wirklich nicht, wie ich das Ende auflösen soll, denn ich möchte, dass wir uns alle mit dieser Frage beschäftigen!“

*Warum haben Sie sich diese Kleinstadt als Spielort der Geschichte ausgesucht?*
Mich haben solche Städtchen schon immer interessiert, Städtchen, die total hübsch aussehen, es scheint alles schick, alles scheint gut. Was mich reizt, ist, was alles unter der geschniegelten Oberfläche passiert. Vielleicht brodelt es da irgendwo? Gibt es Geheimnisse? Ich erinnere mich, als ich früher mit meinen Eltern durch Neu-England gefahren bin, war gerade der sogenannte Indian Summer. So nennt man den Herbst dort, wenn sich die Bäume rot und orange verfärben. Und während ich früher mit meinen Eltern durch diese Landschaft gefahren bin, haben sie sich immer darüber unterhalten, wie schön die Bäume aussehen und wie toll es aussieht, wenn die Bauern die Äcker bestellt haben. Aber ich habe mich währenddessen gefragt, ob der Bauer da vielleicht in Wirklichkeit gerade eine Leiche verscharrt. Mit anderen Worten hatte ich schon früh diese düsteren Gedanken. Später haben mich dann “Scream“ oder “Twin Peaks” inspiriert, ich hatte immer schon einen Hang zu eher abgründigen Geschichten. Mich interessierten Geschichten, die mit Familien und ihren ungelösten Kriminalfällen zu tun haben, wenn zum Beispiel jemand verschwindet und man nicht weiß, was passiert ist. Dann fragt man sich ja, was für Schatten das in einer Familie hinterlässt und wie die Hinterbliebenen damit umgehen. Selbst wenn die vielleicht sogar die eigentliche Person nie gekannt haben, aber auch mit diesem Schatten aus ihrer Vergangenheit aufwachsen und zurechtkommen müssen. Und was passiert, wenn dieser Familie erneut düstere Geschichten begegnen?

*Bevorzugen Sie eher Mystery- oder Fantasy-Geschichten? Sie haben erzählt, dass Sie auch mal versucht haben, Fantasy zu schreiben...*
Ja, ich habe es versucht, aber es war schwierig. Settings sind meine Schwachstelle, an der ich am härtesten arbeiten muss. Settings sind aber wirklich wichtig für Fantasy, denn man muss eine Welt aufbauen, die nicht existiert… Ich werde es vielleicht eines Tages noch einmal versuchen, jetzt bin ich ja eine bessere Autorin. Aber ich lese Fantasy immer noch gerne. Für mich ist das eine gute “Flucht” vor all den Verbrechen und den Mysterien, über die ich immer schreibe. Deshalb lese ich gerne Fantasy, wenn ich plotte.

*Welche Bücher inspirieren Sie? *
Ganz besonders haben mich die "Tribute von Panem" inspiriert. Ich liebe sie, weil die Geschichten so verwoben, intensiv und vielschichtig sind. Ich wollte auch so etwas für junge Leute schreiben. Teenager wie du können viel ab! Denn natürlich lebt ihr nicht auf einem Planeten, auf dem nichts passiert, ihr lebt in einer Welt, in der sehr viel geschieht. Und ich glaube, dass ihr in eurem eigenen Leben Dinge erlebt, die manchmal sehr herausfordernd sind. Deshalb denke ich, dass ihr gut düstere Dinge verarbeiten könnt, die in Young Adult Literatur vorkommen. Ich bin überzeugt, dass ihr wirklich gut darin seid, das Buch zuzuklappen, wenn ihr nicht damit umgehen könnt, was auf den Seiten dieses Buches passiert... Ich habe nicht das Gefühl, dass Erwachsene euch das sagen müssen, ihr trefft diese Entscheidung selbst.
Es stimmt schon, meine Bücher spielen in der Regel auf der dunkleren Seite, aber sie sind nicht hoffnungslos. Es gibt auch viel Licht, es gibt Freundschaft, es gibt Verbindungen zu anderen Menschen, es gibt manchmal eine kleine Romanze und es gibt die Möglichkeit zu Optimismus und Wachstum.

*Also sind “Die Tribute von Panem” Ihr Lieblingsbuch?*
Ja, gar keine Frage. Durch „Die Tribute von Panem“ begann ich nach einigen Zweifeln auch wieder zu schreiben: Ich hatte seit ich ein Teenager war nicht mehr geschrieben. Ich hatte es aufgegeben, als ich so ungefähr in deinem Alter war, weil ich es sehr schwer fand zu schreiben und nicht dachte, dass es ein richtiger Job war. Erst als ich „Die Tribute von Panem“ las, änderte sich das. Das Buch inspirierte mich wirklich und all dieses "Denken über das Schreiben" begann wieder von vorne für mich. Also verdanke ich diesem Buch wirklich eine Menge! Abgesehen davon, finde ich, dass es eine phänomenale Buchreihe ist, die auch großartig verfilmt wurde.

*Schauen Sie sich gerne Krimis oder Mystery-Serien wie "Pretty little liars" oder "Riverdale" an?*
Ja, ich mag sie beide! Auch "Gossip Girls" finde ich gut! Das ist zwar kein Krimi, aber es ist ähnlich wie eine Mystery-Story, man weiß nicht, wer „Gossip Girl“ ist und muss es erst herausfinden…

*Haben Sie Tipps für junge Autor_innen?*
Mein Tipp Nr. 1 ist: Sprich mit Freund_innen, die auch Autor_innen sind, und tausche dich mit ihnen aus.
Wie du weißt, habe ich aufgehört zu schreiben, als ich ungefähr in deinem Alter war. Ein Grund dafür war, dass ich keine anderen Schriftsteller_innen kannte, ich fühlte mich mit dem Schreiben allein, ich hatte niemandem zum Brainstormen, niemanden, der mich ermutigte. Viel später habe ich dann über Twitter viele andere Schriftsteller_innen kennengelernt, die meine virtuellen Freund_innen wurden. Wir begannen, über unsere Arbeit zu sprechen und das half mir wirklich, mich als Schriftstellerin zu verbessern. Und es half mir, meine Stärken zu identifizieren, aber auch die Bereiche, an denen ich arbeiten musste. Es hat mich also viel kritischer lesen lassen. Mittlerweile habe ich diese Menschen im wirklichen Leben kennengelernt und immer noch tauschen wir uns über unsere Arbeit aus. Das Tolle daran ist nicht nur, dass die Leute dir Feedback über deine Texte geben, dir sagen, worin du gut bist und wo du dich verbessern musst, sondern dass du das Gleiche auch mit ihren Arbeiten machst. Das zwingt dich dazu, sehr wachsam zu lesen.

Das ist die andere Sache, die ich den Leser_innen sage: Lest kritischer! Lest nicht nur aus Spaß, sondern lest ein Kapitel und analysiert es, bevor ihr mit dem nächsten anfangt. Fragt euch selbst, warum euch dieses Kapitel gefällt, oder warum ihr dieses Kapitel nicht mögt. Zieht es euch in seinen Bann, und wenn ja, warum? Und dann macht Notizen, bevor ihr anfangt, selbst zu schreiben. Vor allem das erste Kapitel ist auf eurem Weg zur Veröffentlichung dann sehr wichtig, weil das oft das Einzige ist, was ein_e Agent_in sieht. Es ist auch das erste, was ein_e Verleger_in liest, also müsst ihr dieses erste Kapitel wirklich gut schreiben! Als ich versuchte, besser im Schreiben zu werden, las ich ungefähr 30 erste Kapitel. Ich habe darüber nachgedacht und schließlich auch entdeckt, was mir gefiel und was nicht. Man liest als Autor_in also auch öfters für das “Handwerk” und versucht zu verstehen, was funktioniert. Und das verbessert dann auch das eigene Schreiben!

*Karen McManus, vielen Dank für das Interview*

Quelle:

Was denkst du darüber?

Autorin / Autor: Annika (Interview & Übersetzung) - Stand: 8. Januar 2020