Entzauberter Perspektivwechsel

Studie: Gedanklich in eine andere Haut zu schlüpfen, bestärkt manchmal nur die eigene Einstellung

In vielen Gesellschaften herrscht derzeit große Uneinigkeit darüber, wie wir Menschen unser Zusammenleben gestalten sollen, und oft stehen sich verschiedene Lager mit unverrückbaren Ansichten unversöhnlich gegenüber. Wenn es um Annäherung und Kompromisse geht, wird dann oft empfohlen, sich in den anderen hineinzuversetzen und seine Argumente nachzuvollziehen. Das aber könnte auch nach hinten losgehen, wie nun ein Team um die Forscherin Rhia Catapano von der US-amerikanischen Stanford University herausgefunden hat.

In zwei verschiedenen Online-Experimenten überprüften die Wissenschaftler_innen, wie sich ein Perspektivwechsel auf die Haltung auswirkt. Teilnehmer*innen in zwei Online-Experimenten sollten zunächst ihre Meinung zu einem in den USA kontrovers diskutierten Thema, der staatlichen Gesundheitsversorgung, angeben. Anschließend sollten sie sich gruppenweise in einen jungen Mann mit entgegengesetzter Meinung hineinversetzen und dessen potentielle Argumente benennen oder aber einfach nur so Argumente der Gegenseite nennen, ohne sich in eine bestimmte Person hineinzuversetzen.

Dabei zeigte sich, dass der Perspektivwechsel die eigene Meinung nur aufweichen konnte, wenn die andere Person grundsätzlich ähnliche Werte hatte wie die Testperson. War dies nicht der Fall, dann wurde sogar eher noch die eigene Meinung bestärkt. Die Forscher_innen betonten, dass es den Beteiligten prinzipiell sehr gut gelungen sei, sich in den anderen hineinzuversetzen und sie auch gute Argumente aus deren Perspektive anbringen konnten. Nur, dass sie sich selbst von diesen Argumenten nicht überzeugen ließen, wenn sie einem fremden Wertsystem entsprungen waren. 

Erstaunlicherweise ließen sich starre Ansichten aber effektiv aufweichen, wenn die Betroffenen sich Argumente der Gegenseite vor Augen führten, ohne sich dabei in eine andere Person hineinzuversetzen. Eine Art Selbstüberzeugung scheint hier also hilfreicher zu sein als der vielbeschworene Perspektivwechsel.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung