Stell-dir-vor

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Shea A´Taria, 20 Jahre

„Stell dir vor“, sagst du und ich kenn' ihn schon,
tausendfach, als Hauch, als Schrei, als Flüstern fast
Und immer doch der selbe Ton.
Stell-dir-vor.
Das ist dein Kampfgedicht
Kriegshörner müssen ertönen, denke ich,
doch diesmal sind sie aus Pusteblumen und Aprilsonnenlicht
vielleicht auch aus Klee, aber vierblättrig ist er nicht.
Stell dir vor, sagst du und -
sei nur still und hör mir zu.
Plötzlich ist er ernst, dein Blick,
hast wohl bemerkt, dass ich mein Lachen dann und wann
nur mühsam hinter hohler Hand verbergen kann.
Schenk mir ein schwanenschönes Schweigen.
Und stell dir vor.
In deiner Hand wird ein Grashalm zur Klinge
und Götter müssen sich verneigen,
dein herrschaftliches Wort erwarten
bist der König hier im Garten.
Das zweite Lachen zerschellt an meiner Hand.
Spottdrossel, flüsterst du und tippst mir mit dem Grashalm sacht
gegen die Nasenspitze
Kannst du nicht warten?
Doch, gewiss.
Also beginnst du zu erzählen und der Grashalm wird zum Messer,
schneidet einen langen Riss
in die Welt, die ich von gestern kenne und von immer.
Schau hindurch, wenn er dir gefällt
Dann mag es die gleiche Erde sein, auf der dein Körper liegt,
der gleiche Käfer, der geistlos seines Weges geht
das gleiche Gras, das träge hin und her sich wiegt
die gleichen Blütenblätter, die der Wind verweht.
Und doch ganz anders: 
Stell. Dir. Vor.

Die Erde erzählt Geschichten von Euphorie und Melancholie
von erlebendem Leben, von Musik und Freudentanz und
doch auch vom Totenreigen, dem Schweigen der Geigen im Angesicht
der bleichen Knochenfrau
- nein, es ist keine Frau an diesem Ort, ein Vogel ist's
Das Gefieder aschgrau und es zittern die kleinen Amseln
in ihren Nestern aus Nelken, der Magen ganz flau,
wenn die Mutter von den welken, bleichen Augen erzählt
im Gesicht der Dunklen Dohle
Stell dir vor.
Das Gras verflicht sich, verdichtet sich zu smaragdgrünen Wällen
Festungswällen!
Im dunstigen Licht streben stolze Halme hoch empor
Werden Türme, die ein Käfer erklimmen mag
sich seiner Wacht zu stellen Tag für Tag und sein Brustpanzer
schillert wie polierter Flint,
auf dass seinen Feinden das Blut gerinnt.
Das Herz der Festung ist grün
Grünes Rascheln aus Seide und Glanz
Söhne der Weide, Töchter von Wiesentau und Rieselregen
Bewahrt es, denn es macht euch ganz
das Herz der Festung.
Niemals sind die Mauern ihrer Wächter ledig
Aus feurig-dunklen Augen strahlt wie ein berstender Stern,
der mit überirdisch' Farben malt und überschäumend
überfließend doch nichts ist als Kern
Eine Idee, wirr und warm und wunderbar
Eine Idee, ein Irgendwas mit großem I.
Lässt Igel durch flüsternde Farne pirschen
Finken flatternd Kreise ziehen
Wachsam gar
Zaudernd nie
Das Herz der Festung findet seines Pulsschlags Widerhall
im kühnen Kriegerherz der Haselmaus.
Wächters Augen hartes Erz, Habichtblick und Dunkelsicht
Wächters Augen zu zerschneiden grauen Schlick und Dämmerlicht.
Wer blind ist, kann nicht Wächter sein.
Doch stell dir vor …
Stell dir diesen Maulwurf vor,
und vielleicht ist sein Name Morgengrün
Ein Maulwurf, blind im Sonnenschein
Ist Habicht nicht, nicht Flint, nicht flink.
Stell dir seinen Makel fahl verblassend vor
Im Angesicht von feuergolden lichter Lohe
die in seiner Brust nicht Gast ist
Sondern Königin
Schütze!, lautet ihr einziges Gebot,
dessen federweiche-schwere Last der Krieger
stolz zu tragen stets gelobt.
Auf den hohen Halmen wachend
hört er Finken und Füchse ihn verlachen,
Witze reißen und ihn klein und nutzlos heißen
Ihr Spott jedoch mag wogend Wellen gleich
Zerschellen bald an seiner Felsgestalt.
Denn da ist noch etwas
ein Irgendwas mit großem I
Mondscheingeist im Finsterwald.
Es ersetzt ihm Stärke gar und Augenglanz
Zartes Zirpen spricht von Freudentanz,
vom selig Träumen
und Vergiss-dich-Ganz.
Eine Grille ist's
Die auf seiner linken Schulter sitzt.
Stell-dir-vor.

Reglos zwischen hohen Halmen liegend
werd ich selbst zu Felsgestein im wiegend Wasser
Hab kein Lachen mehr für dich,
nur diesen Blick
der hoch und hell dem schönsten Zaubertrick
des Künstlers folgen will
Bitte.
Bitte werd nicht still, lass immerzu
durch deiner Worte Klang
Goldglanz hauchen über das Staubgrau dieser Erde,
auf dass sie selbst zu Gold und Kupfer werde
und lass uns fauchen wie Kriegerkatzen
wie Löwenzahn und Lerchen nicht Lügen brauchen,
sondern Wind.
Durch deine Stimme werd ich Wächter,
werd ich Kind
Obgleich ich blind bin
kann ich über Sterne gehend
in unermesslich Weite sehen
Weil an meiner Seite, mir ein Etwas
Höllenteufel ist und Fee
in diesem grünen Königreich
Zartes Ziper, federweich.
Es ist
eine gänzlich verrückte Idee
die auf meiner linken Schulter sitzt.

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