Diagnose: Mensch

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Jessica Kottas, 19 Jahre

Wie können sie es wagen, wie könnt ihr es wagen, *wie – *

Alles was ihr tut ist nehmen, nehmen, nehmen, so viel ihr tragen könnt und noch viel mehr; ihr nutzt, benutzt, nutzt die Erde aus. Ihr seid so arrogant, bewegt euch, als würde euch die Welt gehören, die Tiere, die Ozeane, die Bäume. Als wärt ihr der Mittelpunkt, als hättet ihr irgendein Anrecht auf das, was sich mit euch die Erde teilt, als wäre alles nur für euch da.

Denkt nicht, dass ich euch das vergessen werde. Mutter Natur wandelt schon über diese Erde, seit Chaos den Himmel von der Erde trennte, noch lange vor mir. Ich bin seit meiner Geburt an ihrer Seite, ich bin Pan, Gott der Wildnis, des Waldes, der Natur.
Und nun ist meine längste Begleiterin krank. Symptome erscheinen als die globale Erderwärmung, schmelzende Eiskappen, die Versauerung des Meeres. Und schuld seid ihr.
Ihr vernichtet ganze Arten und Wälder, ihr verschmutzt die Luft und das Wasser, ihr bringt Dürre und Krieg über euch – ihr seid nichts außer der Gier, die euch bestimmt. Aber ihr habt eins vergessen.

Ich wandle in den Überresten des Grüns, überall auf der Erde, versuche, die Reste zu beschützen. Hielt ich am Anfang auch euch Menschen, die Hirten, noch für schützenswert – jetzt seid ihr auf euch allein gestellt. Ihr erntet, was ihr gesät habt.

Nicht nur ich bin wütend. Alles heilt, aber nichts bleibt bestehen.
Ihr habt nicht verstanden, aber wenn ihr versteht, wird es zu spät sein, denn ihr werdet feststellen;

Ihr seid das Meer, in dem ihr ertrinken werdet,
Ihr seid der Vulkan, der über euch hereinbrechen wird,
Ihr seid das Plastik, an dem ihr ersticken werdet.

Erst wenn es zu spät ist, werdet ihr verstehen, was ihr in eurer Hülle und Fülle übersehen habt – dass ihr ein Teil der Welt seid, dass ihr nicht ohne sie überleben könnt, dass ihr sie braucht, aber sie euch nicht.

Zu viele sind gestorben, zu viel hat die Natur verloren wegen euch, und es muss aufhören. Sie wird euch zwingen, aufzuhören.
Und danach werden die Fische noch schwimmen und die Vögel noch fliegen, die Winter werden wieder kalt und die Sonne wird weiter auf- und wieder untergehen. Ohne euch.
Die Welt wird wieder voll von Liebenden und Lebenden sein, sie werden geben und nicht nur nehmen, zeitlos und umfassend. Sie wird sich erholen.
Ich werde weiter im Grünen bleiben, es wird sich erneut ausbreiten, es wird sich seine Welt zurückerobern.

Und dann kann ich vielleicht endlich wieder frei atmen.

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Autorin / Autor: Jessica Kottas, 19 Jahre