Algorithmus - Freund oder Feind?

Umfrage ergab, dass viele skeptisch gegenüber maschinellen Entscheidungen sind

Den Begriff "Algorithmus" habt ihr sicher schon vielfach gehört, aber wisst ihr, was sich dahinter wirklich verbirgt? Ob so etwas nützlich oder schädlich ist? Keine Sorge, ihr seid nicht allein, wenn ihr euch das fragt, denn laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung haben nur zehn Prozent aller in Deutschland lebenden Menschen eine genaue Vorstellung davon, was Algorithmen sind und wie sie funktionieren. Allenfalls hinter Dating-Apps wie Tinder oder individuell zugeschnittener Werbung im Internet vermuten etwa 50 Prozent der Menschen in Deutschland algorithmischen Einfluss. Dass künstliche Intelligenz auch bei der Vorauswahl von Job-Bewerber_innen eingesetzt wird, weiß hingegen nur ein Drittel. Ihr seht also, die meisten haben keine Ahnung, welche Bedeutung Algorithmen mittlerweile für ihr Leben haben.

Grundsätzlich ist ein Algorithmus nur eine Reihe von Anweisungen zur Problemlösung, die nacheinander ausgeführt werden. Im Grunde ist auch das Kuchenbacken eine Art Algorithmus. Algorithmen in der IT-Welt haben dagegen weitreichendere Folgen: der Google-Algorithmus bestimmt zum Beispiel, wann und wo euch eure gesuchte Webseite in den Suchergebnissen angezeigt wird. So kommt es, dass zwei Nutzer_innen unterschiedliche Ergebnisse ausgespuckt bekommen, auch wenn sie nach dem gleichen Begriff gesucht haben. Auch Börsenmakler, Spiele, Fahrstühle, Ampelschaltungen und Navis usw. kommen nicht ohne den Algorithmus aus, sie sind quasi überall.

Die Hälfte der Befragten sehen in ihnen ein präzises und zeitsparendes Hilfsmittel. Besonders Leute mit einer optimistischen Einstellung zu technischem Fortschritt und jene, die ungefähr wissen, welche Funktionsweise Algorithmen haben, sehen in ihnen etwas positives. Männer sind da übrigens weniger skeptisch als Frauen, wobei Alter und das formale Bildungsniveau keine Rolle spielen. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, ordnet ein: "Algorithmen bestimmen zunehmend über unser Leben. In Deutschland fehlt es an grundsätzlichem Wissen über den digitalen Wandel. Wir müssen dringend lernen, die Chancen und Risiken von Algorithmen richtig abzuwägen."

In der Umfrage wird deutlich, dass es vielen unheimlich ist, wenn Maschinen komplett losgelöst vom Menschen entscheiden. 73 Prozent der Befragten fänden es sogar gut, wenn sogenannte vollautomatisierte Entscheidungen, die nur von Software und ohne direkte menschliche Beteiligung getroffen werden, verboten würden. Die meisten ziehen es also vor, wenn ein Mensch statt einer Maschine über sie entscheidet – obwohl sie wissen, dass dies häufig weniger objektiv ist. Die Ablehnung bezieht sich bemerkenswerter Weise nicht nur auf besonders intime Lebensbereiche, wie etwa im Gesundheits- oder Gerichtswesen, sondern umfasst sogar die "harmlose" Rechtschreibprüfung in Textverarbeitungsprogrammen. "Wenn Vertrauen in Technik fehlt, verkennen viele die Chancen von Algorithmen", so Dräger. Viele Menschen schreckten vielmehr vor dem Gefühl zurück, einer algorithmischen Entscheidung ausgeliefert zu sein – egal wie trivial sie sei.

Sogar diejenigen, die mehr über Algorithmen wissen, verspüren ein gewisses Unbehagen gegenüber algorithmischer Entscheidungsfindung, obwohl sie grundsätzlich positiver eingestellt sind als die Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig haben diese Befragten aber auch für die Risiken ein geschärftes Bewusstsein (53 Prozent im Vergleich zu 47 Prozent aller Befragten). Viele Menschen befürchten etwa, dass Programmierer_innen zu viel Macht über das Leben von Menschen erhalten und Algorithmen manipulierbar sind. Es besteht unabhängig vom Bildungsniveau oder Einkommen der Wunsch nach einer engmaschigeren Kontrolle. Unterm Strich denken nur 13 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Algorithmen gerechtere Entscheidungen treffen als Menschen.

Für Dräger steht fest, dass auf allen Ebenen Kenntnisse im Umgang mit Algorithmen fehlen. "Jeder Bürger braucht Digitalkompetenz, denn wir alle sind regelmäßig und direkt von algorithmischer Entscheidungsfindung betroffen." Zudem würde eine verstärkte öffentliche Auseinandersetzung über die Chancen und Risiken von Algorithmen helfen, den Einsatz von Algorithmen besser im Sinne der Bürger zu gestalten. Er bemängelt, dass auf staatlicher Ebene die Digitalisierung nur langsam vorankommt und der Einsatz hilfreicher Algorithmen kaum stattfindet. "Der Staat sollte sich in den Fahrersitz setzen und Vorbild in der Anwendung und Förderung kluger, teilhabeförderlicher Algorithmen werden. Es ist auch eine staatliche Aufgabe, zu überprüfen, ob Algorithmen im Sinne der Menschen gestaltet werden, und die Bürger über deren Einsatz zu informieren." Ansonsten sei es langfristig schwierig, das nötige Vertrauen der Menschen in den unaufhaltsamen technologischen Fortschritt aufzubauen.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 28. Mai 2018