Multi- Mentalität

Beitrag zum Schreibwettbewerb "Total digital" von Maria Maas, 25 Jahre

…manchmal, wenn ich unterwegs bin, fühle ich mich mit meinem alten, Billig-Handy,
schon ein bisschen wie aus einer anderen Zeit. Um mich herum, sitzen die Menschen mit
ihren Smartphones, konkurrieren um Hüllen und Apps, oder mit iPads um neue Spiele.
Dabei sind nicht nur die jungen Menschen, Smartphoner oder iPader – diese Mentalität
scheint alle Generationen im 21.Jahrhundert gleichermaßen erfasst zu haben.

Es berührt mich, ab und an Menschen mit echten Büchern im öffentlichen Raum zu sehen
- bin ich hoffnungslos romantisch und altmodisch? Ein Mensch ohne Handy ist heutzutage
schon beinahe nicht denkbar. Nicht nur, dass er unnormal ist, er steht auch abseits vieler
Kommunikationsplattformen und Veranstaltungen, welche nur über Apps, oder andere
Messenger Dienste abrufbar sind und somit wird er zum Außenseiter. Mittlerweile ist also
der Status quo, dass der Besitz eines Handys im allgemeinen, stillschweigend von
Freunden, von der Familie und dem Arbeitgeber vorausgesetzt wird.

Was bedeutet das für uns, überall und zu jeder Zeit erreichbar zu sein, dass Internet
immer, dabei zu haben. Was bedeutet es, wenn Mensch kein Handy oder Smartphone
haben will? Geht das überhaupt noch? Wieviel verpasst Mensch wirklich? Ist Mensch noch
in der Gesellschaft integriert? Wo fängt Gesellschaft an und hört sie auf?

Noch komplizierter wird es, wenn für Jobs und Arbeitsplätze zunehmend stillschweigend,
der Besitz eines Smartphones vorausgesetzt wird. Wieviele Menschen müssen
beispielsweise ein Smartphone besitzen, sodass Firmen und oder Arbeitgeber dazu
bewogen werden, dieses mit in ihre Konzepte einzubeziehen? Ab wieviel smarten
Menschen sind Prepaidhandys altbacken und Menschen ohne Handys Außenseiter?

Womöglich wird das Fehlen eines Handys schon in ein paar Jahren abnormal, ja
pathologisiert. Ein Fall fürs zukünftige DSM?

“Ohne Handy unterwegs sein”, ist gleichzusetzen mit dem Aufenthalt in einem Wg-Zimmer,
mit geschlossener Türe. In diesem Zimmer herrscht ein Zustand der Entspannung und
Erholung, da ich mich ganz mir und meiner Tätigkeit widmen kann. Das beinhaltet auch,
dass eben nicht jeder ungestört in meine Aktivität hineinplatzen kann und umgekehrt kann
ich auch nicht sofort etwas Erlebtes teilen, sondern muss es erst einmal für mich
bearbeiten. Wenn ich zueinem späteren Zeitpunkt jemanden treffe und das Erlebte immer
noch teilen möchte, werde ich mich daran erinnern.

“Mit altem Handy (ohne Internet) unterwegs sein” ist demnach, als wäre ich in meinem
Wg-Zimmer, hätte aber meine Zimmertür offen, sodass jederzeit Wg- Mitglieder
hineinschauen könnten. Demnach verhalte ich mich wahrscheinlich anders, denn ich bin in
ständiger Bereitschaft, dass jemand vorbei schauen- und kommen könnte. Die Art der
Konzentration auf meine Tätigkeit ist nicht mehr diesselbe. Denn innerlich bin ich in
Bereitschaft.

Wenn ich nun “mit dem Smartphone unterwegs” bin, bedeutet dass bildlich gesprochen,
dass ich nicht nur die Zimmertür, sondern nunmehr auch noch die Wohungstür offen habe.
Demnach kann zu jeder Zeit, jeder hereinkommen. Auch dies muss unweigerlich mein
Bewusstsein verändern. Jetzt müsste demnach meine Konzentration noch schlechter sein,
da mehr Leute vorbeikommen könnten, mehr Lärm von Außen zu mir eindringt und meine
Grundanspannung somit vergrößert. Mein Fokus verschiebt sich also immer mehr von
innen, nach Außen ins Oberflächliche. Ich bin nunmehr in akuter Bereitschaft und muss
permanent mit Unterbrechung rechnen.

Diesen Zustand der akuten Bereitschaft, bevorzugt offensichtlich die überwiegende
Mehrheit unserer Gesellschaft. Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob wir nicht
mehr allein sein können, oder wollen? Wenn wir nicht mehr allein sein können, was
geschieht dadurch mit uns, unserem Umgang mit uns Selbst, der Reflektion, aber auch
Selbstwahrnehmung. Kommt nicht jede Idee aus der Stille? Wenn wir uns immer mehr
Reizen aussetzen, auf physischer und psychischer Ebene, können wir dann noch frei
handeln und denken? Sind wir schon längst Maschinen?

Autorin / Autor: Maria Maas, 25 Jahre