Traumhafte Zukunft?

Einsendung zum Schreibwettbewerb Dr. Futura im Wissenschaftsjahr Gesundheitsforschung

Der Tag hatte für Caprice ganz normal begonnen, um 4.00 Uhr klingelte ihr Wecker, sie wurde ausnahmsweise pünktlich fertig und machte sich auf den Weg zum Krankenhaus. Die Sonne ging groß und rot am Morgenhimmel auf, während sie über den Parkplatz zum Eingang lief. „Keine Wolke am Himmel, es wird bestimmt ein toller Sommertag. Und ich verbringe meine Zeit wieder bis abends in der Klinik“, seufzte sie. Sie hatte sich die Arbeit im Krankenhaus anders vorgestellt, doch nachdem sie ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte, beschloss die Regierung alle Ärzte durch intelligente Roboter zu ersetzen. Natürlich war der Aufschrei in der Gesellschaft groß, doch im Jahre 3000 waren Roboter nicht mehr wegzudenken. Jeder mutmaßte, wie uns schon die meisten Science-Fiction-Filme gelehrt haben, dass Roboter schnell zu einer Bedrohung der gesamten Menschheit werden könnten. Daher dachte Caprice, dass sie ihren Job schon nach kurzer Zeit, wie gewohnt wieder aufnehmen würde, weil Roboter niemals einen Arzt ersetzen könnten. Doch die Technik war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass die Maschine den Menschen in puncto Schnelligkeit und Präzision übertraf. Daher sah die Regierung in dem Einsatz von Robotern im Gesundheitswesen die einzige Chance, dieses noch weiter auszubauen und zu verbessern. Das angestrebte Ziel dabei, bei Krankheiten schneller und mit größeren Erfolgen behandeln zu können. „Ich bin Ärztin und eine der letzten meiner Art“, dachte Caprice. Es klang wie das Zitat aus einem Zukunftsdrama „Anstatt mich um Patienten zu kümmern, Diagnosen zu stellen und zu behandeln, darf ich die Arbeit von diesen computergesteuerten Blechbüchsen überprüfen und bei Bedarf eingreifen und Fehler beheben.“ Caprice knirschte mit den Zähnen, denn diese Roboter hatten noch nie einen Fehler gemacht. Sie schienen tatsächlich perfekt. Die automatischen Schiebetüren des Krankenhauses öffneten sich lautlos, am Empfang saß ein Roboter, der sie freundlich begrüßte. „Guten Morgen Dr. Temnis. Ein wunderschöner Tag, nicht wahr?“ „Wirklich schön war er, bis gerade eben ...“, antwortete sie aggressiver als beabsichtigt. „Wie sie meinen“, flötete der Roboter. Caprice betrat ihr Büro, welches vollkommen mit der neusten Technik ausgestattet war. Die Akten der Patienten waren schon an die Wand projiziert und sie begann sich durch sämtliche medizinische Berichte zu lesen, als ihr plötzlich etwas ins Auge fiel. Sie hielt inne und las: „Patient 16 von der Krebsstation ist vor wenigen Minuten an Herzversagen gestorben.“ Dieser Mann war der erste Verstorbene, den sie bisher zu beklagen hatte. Fassungslos flüsterte sie: „Dabei ist Krebs innerhalb von wenigen Wochen geheilt, und als ich gestern dort war, befand sich 16 in bester Verfassung. Seine Werte waren in Ordnung. Ich hätte ihn in einer Woche entlassen.“ Dr. Temnis entschied als Erstes nach dem verstorbenen Patienten zu sehen, um Todeszeitpunkt und Ursache zu prüfen. Noch immer leicht geschockt von diesem ungewohnten Befund, machte sie sich mit schweißnassen Händen und zitternden Knien auf den Weg. „Bleib ruhig, immerhin bist du doch Ärztin“, versuchte sie sich zu beruhigen. Ihre Schritte hallten auf dem hellen, sterilen Boden wieder. „Wie einsam man doch unter Robotern ist.“ Sonst machte ihr das Alleinsein herzlich wenig aus, aber normalerweise starben die Patienten auch nicht. Gegen nahezu jede Krankheit gab es Medikamente, mit denen jeder sofort versorgt werden konnte. Die Lebenserwartung jedes Menschen war auf 95 Jahre und höher gestiegen, sodass die Geburtstagskerzenindustrie eine erhebliche Umsatzsteigerung erlebt hatte. Keine Seltenheit waren 100 Kerzen auf einem Geburtstagskuchen. Caprice hatte das Zimmer des Verstorbenen fast erreicht, als plötzlich laute Schreie und krachende Laute durch den Flur schallten. Sie rannte in die Richtung, wo sie die Geräusche vermutete. Erschrocken sah sie wie ein älterer Mann von einem Medi-Roboter, der für diese Station verantwortlich war, und die Leute mit allem versorgte, inklusive Bett, quer über den Flur schob. Der alte Mann zeterte laut und schlug mit einer Krücke, auf seinen „Entführer“ ein. Hinter und vor dem Roboter waren nahezu alle Patienten dieser Station versammelt, die in der Lage waren sich auch außerhalb des Bettes aufzuhalten, und versuchten durch lautes Rufen und durch Einschlagen auf den Roboter diesen zum Halten zu bewegen. Als einer der Helfer Dr. Temnis erblickte, kam er schnell auf sie zu „Endlich kommt mal jemand der aus Fleisch und Blut ist. Dieser Mann wird von seinem behandelndem Roboter verlegt. Und zwar in die Leichenkammer!“, rief er außer Atem. Schnell zückte Caprice den elektronischen „Schlüssel“ mit denen sie die Roboter abschalten konnte. „Danke! Das wurde aber auch Zeit. Ich werde eine Beschwerde einreichen, die sich gewaschen hat. Die ganzen Regierungsfutzis sollen sich Mal warm anziehen. Von wegen „Revolutionäre Medizin dank intelligenten Robotern“, diese Blechmediziner wissen ja nicht mal, ob ich noch lebe. Also, mir sind die „echten“ Ärzte tausendmal lieber, auch wenn die manche Wunde nicht ganz gerade zunähen. Wenigstens können die auch auf Geschehnisse reagieren, die nicht einprogrammiert sind!“ Die anderen Patienten nickten zustimmend und sagten: „Ja da stimme ich ihnen voll und ganz zu!“ oder „Von denen lass ich mich nicht länger behandeln.“ Caprice stellte fest, dass der Mann, das Opfer der Entführung, die nur knapp verhindert worden war, der totgesagte Patient 16 war. „Das werde ich umgehend der zuständigen Behörde melden“, versprach sie dem Patienten. „Ich werde wohl doch schon sehr bald meinen eigentlichen Job wieder aufnehmen können ...“ Lautes Piep, Piep störte ihre Überlegungen.
Caprice schreckte hoch, es war ihr Wecker. „Gott sei Dank, es war nur ein Traum. Die Medizin ist schon sehr weit revolutioniert, aber Roboter. Das muss nun wirklich nicht sein.“ Dr. Caprice Temnis war froh, dass man sich auch noch im Jahr 3000 auf menschliche Qualitäten der Ärzte verließ.

Stand: Patricia, 17 Jahre