Zeitmangel und herausforderndes Verhalten
Die Studie "Deutsches Schulbarometer" befragte Lehrkräfte, wie es mit Demokratiebildung an der Schule aussieht und wie sie mit KI umgehen. Mehr beschäftigt diese aber das Sozialverhalten von Schüler:innen
Die Schule soll es richten: Mehr Demokratieverständnis, mehr Medienkompetenz, Einbindung von KI-Tools in den Unterricht - aber so, dass die Schüler:innen dabei auch was lernen. Wie es bei diesen Themen tatsächlich an den Schulen aussieht und was Lehrkräfte und Schüler:innen darüber denken, das untersucht die repräsentative Studie der Robert Bosch Stiftung "Deutsches Schulbarometer", die jährlich die Stimmung an deutschen Schulen einfängt. In der Befragung sehen Lehrkräfte die großen Probleme aber weniger bei KI und Demokratiebildung als vielmehr bei chronischem Zeitmangel und herausforderndem Verhalten von Schüler:innen.
Die Ergebnisse zeigen, dass Lehrkräfte insgesamt eher skeptisch auf den Einfluss Künstlicher Intelligenz (KI) im Klassenzimmer blicken. Sie fürchten negative Auswirkungen auf die Fähigkeiten ihrer Schüler:innen, besonders im sozialen und kommunikativen Bereich (61 Prozent) sowie beim kritischen Denkvermögen (60 Prozent). Gleichzeitig erkennen ebenso viele das Potenzial für personalisiertes Lernen (57 Prozent).
Die repräsentative Studie offenbart zudem deutliche Defizite im Umgang mit KI: 62 Prozent der Lehrkräfte fühlen sich demnach unsicher, ein Drittel hat KI-Tools im vergangenen Jahr beruflich gar nicht genutzt. Wer sie einsetzt, nutzt sie vor allem zur Aufgabenerstellung (58 Prozent) und Unterrichtsplanung (56 Prozent), deutlich seltener zur Leistungsbewertung (6 Prozent) oder Analyse von Lerndaten (3 Prozent).
„ChatGPT und vergleichbare Anwendungen sind längst Teil der Lebenswelt junger Menschen und lassen sich auch durch Verbote nicht mehr aus dem schulischen Alltag verbannen", sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bildungsbereichs der Robert Bosch Stiftung. „Lehrkräfte sollten eigene Erfahrungen mit diesen Technologien sammeln. Darüber hinaus sind systematische Fortbildungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht unerlässlich. Nur so können Schüler:innen zu einem reflektierten und verantwortungsvollen Umgang befähigt werden. Richtig eingesetzt, kann KI Lehrkräfte entlasten und ihnen mehr Freiraum für pädagogische Aufgaben verschaffen."
Was Lehrkräfte am meisten belastet: Verhalten der Schüler:innen und Zeitmangel
Für eine wachsende Zahl von Lehrkräften stellt das Verhalten der Schüler:innen die größte Herausforderung im Schulalltag dar. 42 Prozent der Befragten sehen darin ihre Hauptbelastung – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr (35 Prozent). Besonders stark betroffen sind Lehrkräfte an Haupt-, Real- und Gesamtschulen (52 Prozent).
An zweiter Stelle nennen die Befragten die hohe Arbeitsbelastung und den chronischen Zeitmangel (34 Prozent, 2024: 28 Prozent). Die Auswirkungen sind spürbar: Ein Drittel der Lehrkräfte fühlt sich mehrmals pro Woche erschöpft, zehn Prozent sogar täglich. Trotz dieser Belastung bleibt die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit (84 Prozent) und der eigenen Schule (90 Prozent) weiter bemerkenswert hoch.
Wie stehts um die Demokratiebildung an Schulen?
Erstmals untersucht das Deutsche Schulbarometer in diesem Jahr auch, wie Lehrkräfte die Demokratiebildung an ihren Schulen einschätzen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) ist der Meinung, dass in diesem Bereich mehr getan werden müsste. Der Umsetzung stehen aus Sicht der Befragten jedoch praktische Herausforderungen im Weg. Als größtes Hindernis nennen drei Viertel der Lehrkräfte (77 Prozent) den Mangel an Unterrichtszeit. Fast die Hälfte (45 Prozent) sieht zudem fehlendes Fachwissen des Kollegiums als problematisch an.
Deutliche regionale Unterschiede zeigen sich insbesondere zwischen den ost- und den westdeutschen Bundesländern: Lehrkräfte im Osten berichten häufiger von Desinteresse im Kollegium (38 Prozent gegenüber 26 Prozent im Westen). Auch die Sorge vor Konflikten unter Schüler:innen (29 Prozent gegenüber 17 Prozent) sowie befürchtete Widerstände von Eltern (27 Prozent gegenüber 9 Prozent) werden dort deutlich häufiger als Hürden genannt.
Widersprüchlich ist die Einschätzung der Mitbestimmungsmöglichkeiten: Zwar sehen 68 Prozent der befragten Lehrkräfte die Anliegen der Schüler:innen bei Entscheidungen an der Schule berücksichtigt, doch 45 Prozent sprechen den Schülervertretungen realen Einfluss ab.
Über das Deutsche Schulbarometer
Mit dem Deutschen Schulbarometer lässt die Robert Bosch Stiftung seit 2019 regelmäßig repräsentative Befragungen zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland durchführen. Seit 2024 werden neben Lehrkräften auch Schüler:innen befragt. Beide Erhebungen werden jährlich mit denselben Befragten durchgeführt.
Für die aktuelle Ausgabe befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa zwischen dem 11. November und 2. Dezember 2024 insgesamt 1.540 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen. Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Forschungsteam der Universität Heidelberg, der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Potsdam.
Quelle
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 26. Juni 2025