Krokodilstränen oder echter Schmerz?
Studie: Ob wir Tränen für glaubhaft halten oder für manipulativ, hängt vom Kontext ab. Und von den Personen, die die Tränen vergießen.
Auf Knopfdruck weinen ist schwierig, dennoch ist die Meinung weit verbreitet, dass Tränen auch strategisch eingesetzt werden können, um andere zu manipulieren. Es wird dann von Krokodilstränen gesprochen. Ob wir einer Person ihre Tränen abnehmen oder sie für Krokodilstränen halten, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.
Um zu untersuchen, wie und unter welchen Bedingungen Tränen für aufrichtig gehalten werden, legten Monika Wróbel von der polnischen Universität Lodz und ihre Kolleg:innen Tausenden von Teilnehmenden Fotos mit Gesichtern vor. Die Gesichter waren unterschiedlich bearbeitet, mal mit härteren, mal mit warmen Gesichtszügen, mal mit, mal ohne Tränen. Dazu wurde den Testpersonen Situationen zu den Fotos geschildert, etwa, dass hier jemand versucht sich in einer Schlange beim Arzt vorzudrängeln oder sich nur mit der Sprechstundenhilfe unterhält.
Die Teilnehmenden sollten dann bewerten, welche Gesichter aufrichtig wirkten und welche ihnen falsch vorkamen. Dabei zeigte sich, dass Tränen kaum einen Einfluss darauf haben, ob eine gezeigte Person als ehrlich wahrgenommen wurde. Tränen haben also offenbar nicht per se das Zeug, andere zu überzeugen. Waren Männer oder Frauen mit härteren Gesichtszügen konnten sie offenbar punkten. Das Vergießen von Tränen scheint demnach für Personen, von denen man weniger erwartet, dass sie weinen, vorteilhafter zu sein. Auch die Situation spielte eine Rolle. Wurde eine Szene präsentiert, in der sich die Person einen Vorteil verschaffen will, wurden die Tränen auch für weniger glaubhaft gehalten.
Für die Forschenden sind die Ergebnisse ein Hinweis darauf, dass Weinen nicht zwangsläufig als aufrichtiges soziales Signal betrachtet wird, sondern dass es darauf ankommt, wer wann und in welcher Situation heult. Das Weinen von Menschen, bei denen wir das nicht erwarten, hat dabei eine besondere Wirkung.
Weil Weinen ein komplexer, vielschichtiger emotionaler Ausdruck, der nicht nur aus Tränen, sondern auch aus Gesten, Lautäußerungen oder Gesichtsmuskelbewegungen besteht, hat diese Studie möglicherweise nur begrenzte Aussagekraft. Denn den Gesichtern waren die Tränen digital hinzugefügt worden, ohne die Gesamtheit zu vermitteln, die beim Anblick eines weinenden Menschen entsteht.
Quelle
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 18. Juli 2025