Unter die Haut geht zu weit

Schönheitsoperationen im Fernsehen verbieten?

Die deutschen Privatsender planen einen regelrechten Schönheitsoperationen-Schwerpunkt für den Spätsommer. Ob auf RTL II mit Sendungen wie "Letzte Hoffnung Skalpell" oder auf RTL mit "Alles ist möglich", OP-Einlagen bei Big Brother, "The Swan" auf ProSieben, wo auch die eher zynisch angehauchte Sendung "Nip/Tuck laufen soll - es geht unter die Haut.

*Charakterkrüppel*
Die Vereinigung der Deutschen-Ästhetisch-Plastischen ChirurgInnen will diesem Boom nicht länger tatenlos zusehen. Heute geht ein Brief an alle Verbandsmitglieder raus, in dem der Verbandschef Rüdiger Olbrisch klare Worte spricht. "In Fernsehshows wie 'Big Brother' oder 'The Swan'", so Olbrisch, "in denen sich ohne erklärbare medizinische Begründung (...) junge Menschen durch gezielte Verletzung ihrer Körperoberfläche umformen lassen, stoßen von beiden Seiten Charakterkrüppel aufeinander." Gemeint sind ÄrztInnen, die sich auf solche Shows einlassen, sowie die FernsehmacherInnen, die vor nichts mehr zurückschrecken. Aber natürlich gehören auch die "PatientInnen" dazu, die an sich herumschnippeln lassen, als hätten sie keine physische Identität, als wären Körper nur Verfügungsmasse. Vielleicht ist es aber auch gerade eine Überidentifikation mit dem Körper, dessen Muskeln man aufpumpen und dessen Knochen man brechen und neu zusammenbauen muss, damit man ein ganz besonders tolles und geliebtes Exemplar der menschlichen Rasse wird. Wer weiß? Ob es schon Studien gibt über die Anzahl von Schönheitsoperierten, die später in psychologische Behandlung mussten?

*Shows verbieten?*
Die Verbraucherschutzexpertin der CDU, Gitta Connemann, spricht sich sogar für ein Verbot dieser Sendungen aus. Es sei "unerträglich, Menschen auf diese Weise als lebende Barbie-Puppen zu benutzen und ihre Umwandlung im Fernsehen öffentlich zur Schau zu stellen".
Tatsächlich gibt es schon lange einen besorgniserregenden Trend: Die Zahl der Schönheitsoperationen ist, so Connemann, von 109.000 im Jahr 1990 auf 660.000 im Jahr 2002 angestiegen. Das ist eine Versechsfachung! Dazu kann es eine hohe Dunkelziffer geben. Der Chirurg Olbrisch kann sich über diese Tendenz nicht freuen: "Hüten wir uns, in die falsche Öffentlichkeit und in die falschen Hände des falschen Kommerzes zu geraten."
Es ist ein fataler Irrtum, zu glauben, mit einer anderen Hülle auch ein anderer Mensch zu werden, dem fortan alles leicht fällt.

Autorin / Autor: Redaktion / Spiegel Online - Stand: 19. Juli 2004