Zeit ist Geld

Gerätschaften zur Zeitersparnis kosten: Zeit

In der Werbung haben vor allem Produkte Konjunktur, die Zeit sparen:
"Fast"-Food-Gerichte, Wischlappen, die ganz schnell alles wisch und weg machen, Haushaltsgeräte aller Art, die die Dinge für uns schneller erledigen sollen. Denn wir alle wissen: Zeit ist Geld! Und Geld wollen wir ja möglichst viel besitzen... Aber, so stellt der Kolumnist Ludger Lütkehaus in der NZZ heraus: das Prinzip der Geschwindigkeit, die sogenannte "Dromokratie", funktioniert nicht! Als hätten wir es schon immer geahnt: wer schnellschnell macht, um Zeit zu sparen, hat überhaupt nicht mehr Zeit. Und die Zeit, die man vielleicht "erwirtschaftet" hat, braucht man dringend zum Luftholen, weil man sich kurz vor'm Zusammenklappen befindet. Als Antwort auf die Kürze des Lebens ist die verzweifelte, hektische Zeitersparnis auf jeden Fall nicht geeignet. Und vergessen wird, dass man die "gesparte" Zeit zwar anders (vielleicht auch schöner) verwenden kann - aber man hat dafür nicht mehr Lebenszeit.

*Umweg als Ziel?*
Nach der Logik der Dromokratie ist das Schnellere immer das Bessere. Die Überholspur ist der gerade Weg zum Glück und zum Erfolg. Die "Gerade" zwischen zwei Punkten gilt als kürzeste Verbindung als ideale Strecke. Aber: wer von euch hat nicht schon mal durch einen Umweg, einen Irrtum, durch Verfahren etwas Wunderschönes entdeckt oder gerade bei einer Panne am Wegesrand den größten Spaß gehabt? Wer von der Schule direkt zum Klavierunterricht hastet, danach zum Sport hurtet, sich dann noch kurz mit Freundinnen trifft, abends schnell Hausarbeiten macht, gilt als rational und erfolgreich. Aber wenn man schon nach dem Maßstab der Effektivität geht, dass also alles wie am Schnürchen klappen muss: wie effektiv ist man denn wirklich mit der Zeitbeschleunigung? Der französische Philosoph Paul Virilio, der Erfinder des Begriffs "Dromokratie", spricht jedenfalls von einem "rasenden Stillstand". Das anschaulichste Beispiel dafür ist der Verkehrsstau. Das Ansinnen, möglichst schnell irgendwo hinzukommen, ohne Rücksicht auf Verluste, ist dabei zum Gegenteil verkommen und verurteilt uns: zum Warten. Und indem wir die Reklame für die Zeitersparnisprodukte gucken, verschwenden wir: Zeit... In großer Hetze sind wir Teil der Zeitverschwendungsgesellschaft, in der vor allem eines nicht mehr wirklich funktioniert: Zeit nutzen und genießen!

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Tipp

Ein wunderbares Buch, das zum Thema passt, ist *Momo* von Michael Ende. Dort ist eine gespenstische Gesellschaft "grauer Herren" am Werk, die immer mehr Menschen dazu veranlasst, Zeit zu sparen und diese in einer Zeitsparkasse gewinnbringend anzulegen. Aber in Wirklichkeit betrügen sie die Menschen um diese ersparte Zeit und damit auch um das, was das Leben lebenswert macht...

Autorin / Autor: NZZ online/ Redaktion - Stand: 2. Juli 2004