Eine Richterin setzt sich ein

Eine ungewöhnliche Frau und ein Buch über ein brisantes Thema

Nach fast 2 Monaten Botswana, wo mich ein Journalistenstipendium hingeführt hat, bekomme ich einen ganz wichtigen Termin bzw. einen Termin, auf den ich mich sehr freue. Nachdem ich den Sicherheitscheck des Gerichtes passiert habe, führt mich eine Polizistin durch lange graue Gänge. Im Vorzimmer der Richterin bittet man mich erst einmal zu warten. Ich folge der Unterhaltung der Sekretärin mit der Polizistin. Es hat definitiv nichts mit Arbeit zu tun. Ich will zur Toilette gehen - die Polizistin springt sofort auf. Allein darf man nicht gehen. Ich fange an, mich unbehaglich zu fühlen... Aber die Polizistin, eine Schwarze, zwinkert mir zu und macht Scherze: "hey, wir könnten Schwestern sein" lacht sie und vergleicht unsere Größe. Stimmt, gleich groß sind wir. Im Waschraum macht sie zu ihrem Spiegelbild - und zu mir - Grimassen. Würde eine deutsche Polizistin das jemals machen? Ich warte weiter auf meinen Termin mit Unity Dow. Dow ist Richterin am Nationalen Gerichtshof, dem wichtigsten Gericht des Landes, und zudem die erste Frau, die jemals so ein Amt bekommen hat. Sie schreibt außerdem gerade an ihrem fünften Buch und engagiert sich für Human Rights Projekte. Dow war Gründungsmitglied des "Women and Law in Southern Africa Research Project" und hat einige Gesetze zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen durchgesetzt. Drei Kinder hat sie auch - die sie so nebenbei erzieht. Klar, dass so eine Frau einfach nicht viel Zeit hat, denke ich und will doch endlich mein Interview anfangen...

Die kichert ja...

Bevor ich mehr Zeit habe, nervös zu werden, werde ich endlich hereingerufen. Eine schlanke, jugendlich wirkende Frau - Dow ist 44 -grinst mich an. Wow - das ist Unity Dow! "Meine Tochter hat mich heute früh versetzt, daher muss ich mich gleich mit ihr zum Mittagessen treffen... Willst du mitkommen?" fragt sie mich und lacht. "Klar, will ich." kann ich da nur stammeln. Sie ist definitiv eine sehr ungewöhnliche Frau. Sie ist engagiert, unkonventionell, humorvoll und packt die Themen, auf die sie aufmerksam machen will, auch einfach mal zwischen zwei Buchdeckel - in Krimiform. Hauptsache, sie erreicht ihre LeserInnen. Ein Thema, das sie schon lange beschäftigt, heißt "witchcraft". Dow will gegen die Form von Okkultismus angehen, die Menschen wehtut oder sie zu Straftaten bewegt. In Botswana ist das Spirituelle sehr bedeutsam und basiert auf dem Glauben an eine Gottexistenz und vor allem auf dem Glauben an die Ahnen. Wer von seinen Vorfahren träumt, hat eine Botschaft erhalten, die es zu entschlüsseln gilt. Und es gibt die Vorstellung, dass wer viel Pech hat, verhext wurde - und sogenannte witchdoctor oder traditional healer (traditionelle Heiler) können helfen.

*Rituelle Handlungen*
Traditional healer leisten in der Regel gute Arbeit und arbeiten oft mit ÄrztInnen zusammen. Ihre Heilungsmethoden kann man sich als eine Art psychosozialer Medizin vorstellen; sie hat homöopathische Anteile, familien- und gruppentherapeutische und religiöse Anteile. Es gibt einige Verfahren, die die Heiler seit Jahrhunderten angewandt haben und die mittlerweile auch von der Schulmedizin anerkannt und eingesetzt werden. Ob etwa Hoodia-Pflanze oder African Potatoe, beides Pflanzen, deren Wirkstoffe sehr heilsam bzw. wirksam sind - das Wissen um die Nützlichkeit solcher Pflanzen verdankt man häufig den Heilern.
Aber es gibt eine Minderheit unter diesen "Heilern", die tatsächlich kriminell und gefährlich sind. Unity Dow erzählt von Gerichtsverfahren, in denen Geschädigte versuchen, diese "witchdoctors" zu verklagen. So gab es zum Beispiel den Fall, dass jemand, der den Glauben in die Schulmedizin verloren hatte, zum vermeintlichen traditional healer gegangen ist. Dieser hat versucht, seine Beschwerden durch "Ausräuchern" zu beseitigen... Dabei wurde das Bein des Patienten verbrannt - und zwar so schlimm, dass es amputiert werden musste. Solche Fälle kommen vor, weil kein Heiler - zumindest bis jetzt - ein Zertifikat vorweisen muss. Und es ist schwierig, Scharlatane zu verklagen oder zu mehr Verantwortung zu bringen. Sie behaupten in solchen Fällen, den Patienten gewarnt zu haben und diese träfen ihre Entscheidung schließlich selbst.
In Dows neuestem Roman, der gerade auch auf deutsch erschienen ist, geht es um einen Extremfall einer rituellen "Handlung", die ein witchdoctor durchführen oder zu der er raten kann. Dow beschreibt einen Ritualmord, dessen Aufklärung vertuscht wurde - und der erst durch eine zu allem entschlossene junge Frau wieder an die Oberfläche gerät. Das Buch heißt "Die Beichte".

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Autorin / Autor: ~astrid~ - Stand: 20. Januar 2004