Weiblich, jung und rechts?!

Gibt es einen besorgniserregenden "Trend" zum Rechtsradikalismus? Immer mehr Mädchen und junge Frauen scheinen sich für "rechte" Ideologien zu interessieren.

*LizzyNet*: Steigt die Zahl der rechtsextremen Mädchen und Frauen?

*Peter-Christian Löwisch*: Ich denke, ja. Wir müssen nach ernstzunehmenden Schätzungen heute von 30 Prozent ausgehen, vor 5 Jahren waren es längst nicht so viele. Im Verfassungsschutzbericht wird leider nicht zwischen männlichen und weiblichen Rechten unterschieden. Ich gehe davon aus, dass die rechte Szene, also die nicht organisationsgebundene Szene, zu einem Drittel aus Mädchen und Frauen besteht.

*LizzyNet*: Welche Funktionen übernehmen Mädchen und Frauen in der rechten Szene?

*Peter-Christian Löwisch*: In der freien Szene gibt es so keine Funktionen, die zu übernehmen wären. Die Frauen sind Teil der Kameradschaften und werden dort als gleichberechtigt behandelt. In der organisierten Szene sind auch immer mehr Frauen in Gremien: es sind schätzungsweise an die 20 Prozent Frauen in Führungspositionen bei den Republikanern. Frauen der rechten Szene kommen spät, aber gewaltig, könnte man als Ergebnis festhalten.

*LizzyNet*: Gibt es Unterschiede im Verhalten von rechten Frauen und rechten Männern?

*Peter-Christian Löwisch*: Die Frauen agieren als Anheizerinnen im Hintergrund - und zwar sehr viel brutaler als die Männer. Sie schlagen nicht selbst zu, sondern lassen zuschlagen. Eine Gewalttätigkeit, die in der Szene positiv gewertet wird, ist auch bei ihnen festzustellen. Die jungen Frauen scheren sich nicht darum, was in den Parteiprogrammen steht - die machen das, was ihnen gefällt und inzwischen nicht mehr als Anhängsel ihrer Männer, sondern als unabhängige und selbstständige Personen. Der Arbeitskreis Mädelschar Berlin z.B. proklamiert genau das: aktive Mädchen und Frauen, die nicht mehr das Anhängsel ihrer Freunde sein wollen, sondern ihr eigenes Ding machen. Man könnte von einer perversen Emanzipation sprechen.

*LizzyNet*: Haben Sie persönlich Mädchen oder Frauen der Szene kennengelernt?

*Peter-Christian Löwisch*: Ich bin an einer jungen Frau dran. Sie ist ausgestiegen aus der Szene, aber zur Zeit sehr, sehr zurückhaltend und selbst für mich ist es äußerst schwierig, Kontakt zu ihr zu bekommen.

*LizzyNet*: Sie sagen, Sie kommen kaum an Datenmaterial und die Forschungsarbeit ist sehr schwierig. Was ist das Anliegen Ihrer Arbeit?

*Peter-Christian Löwisch*: Mein Anliegen ist es, die Leute, die z.B. zu meinen Vorträgen kommen, für das Thema zu sensibilisieren. Die rechte Szene wird noch immer wahrgenommen als rechte Schläger. Wenn die gerade nicht da sind, dann - so denken die meisten - gibt es auch keine rechte Szene. So ist es aber nicht! In Köln gibt es beispielsweise die Bürgerbewegung Pro Köln, dessen Vorsitzende Judith Wolter ist, eine Jurastudentin. Rechtsextrem heißt nicht gleich Schläger!

*LizzyNet*: Sie sagen, der Rechtsradikalismus wird immer bürgerlicher, also etwa salonfähig?

*Peter-Christian Löwisch*: Ich fürchte ja. Der Rechtsextremismus kommt nicht von den Rändern der Gesellschaft, er kommt aus der Mitte der Gesellschaft, d.h. er nährt sich aus unserer Mitte und darin liegt seine Gefährlichkeit. Das zeigte auch Möllemanns Flugblatt-Aktion: er richtete sich darin gegen Israel, Sharon und Friedmann  - und Möllemann war nun nicht vom Rande der Gesellschaft, sondern jemand aus der ganz bürgerlichen Ecke. Und viele Leute, mit denen ich gesprochen habe, haben zu dem Flugblatt gesagt: "Irgendwie hat Möllemann ja Recht". Das große Kampfthema "Ausländer raus" schlägt langsam um und nimmt eine antisemitische Richtung - überall, auch in Köln. Hier in Köln haben wir zwei Kameradschaften: den "Nationalen Sturm Köln", dessen Ausrichtung durch den Namen klar ist, und den schon erwähnten Verein Pro Köln, der die bürgerlichen Themen für sich entdeckt hat wie Straßenstrich und Klaukids auf der Domplatte. "Pro Köln", das hört sich auch nicht rechts an, sondern bürgerlich - und da sind wir wieder bei Annett!

*LizzyNet*: Welchen Wunsch haben Sie bezüglich Ihrer Aufklärungsarbeit?

*Peter-Christian Löwisch*: Die Leute sollen anfangen, besser hinzuschauen und die rechte Szene nicht nur assoziieren mit Springerstiefeln, Bomberjacke und Baseballschläger. Das ist nicht die rechte Szene, das ist nur Stimmungsmache. Die rechte Szene fängt an, verschiedene Musikstile für sich zu adaptieren: es gibt rechten HipHop, rechten Techno... Die Rechten haben begriffen, dass sie Erfolg haben, wenn sie sich in die bürgerlichen Strukturen integrieren und Teil der Gesellschaft werden. Die Gesellschaft hat die Gefahr, die da lauert, ihrerseits noch nicht begriffen!

*LizzyNet*: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Löwisch!

Zurück zur Übersicht

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 11. Juli 2003