Orientierungslos, einsam - rechts?

Warum werden Jugendliche rechtsextrem?

Jackett, Krawatte, Hemd - unauffällig kommen sie daher, die Abgeordneten der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im sächsischen und brandenburgischen Landtag. Keine Springerstiefel, keine Hakenkreuze, keine Glatzen. Sie sind Ärzte, Handwerker, Altenpfleger oder Fahrlehrer...

So auch der Verlagskaufmann und sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Holger Apfel. Der 33-Jährige ist vom Funktionär der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Partei aufgestiegen. Seine Brötchen verdient Apfel als Chefredakteur und Leiter des "Deutsche Stimme"-Verlags. Hier erscheint die gleichnamige Parteizeitung der NPD.

Redner wie Apfel thematisieren die Lage der Familien, die Arbeitslosigkeit und die Gesundheitsreform. Frust und Angst vor dem sozialen Abstieg werden geschickt genutzt, um Wähler zu ködern. Doch hinter der politisch-sachlichen Fassade steckt eine handfeste rechtsextremistische Ideologie. Aber was heißt das eigentlich - rechtsextrem oder rechtsradikal. Ist jeder Rechte automatisch ein Neonazi? Und wie kommt es dazu, dass junge Leute nach rechts abdriften?

*Pöbeln, Prügeln und Provozieren?*
Entgegen der Erwartungen der Staatsschützer und Kriminologen stammen Rechtsextreme nicht selten aus "gutbürgerlichem Milieu". Jugendforscher werten die rechte Subkultur als jugendliche Protesthaltung gegen die Werte einer bürgerlichen Gesellschaft. Rangeleien mit der Polizei und den linken "Antifaschisten" gehören zum Alltag. Pöbeln, Prügeln und Provozieren wird zum Zeitvertreib.

Extremismus gedeiht nach Aussage der Experten vornehmlich in einem Umfeld, das unzählige Möglichkeiten bietet, aber wenig Orientierung liefert. In dieser "unsicheren Lage" suchen Jugendliche in der Gemeinschaft Gleichaltriger nach Rückhalt, Identität und Selbstbestimmung.

Rechtsextreme verbindet vor allem Spontanität und der Konsum von Musik und Alkohol, frei nach dem Motto "Fun & Froide". Die rechte Szene bietet Jugendlichen Kameradschaft, Zusammenhalt, Selbstwertgefühl und Stärke. Dadurch wird die Szene auch für grundsätzlich unpolitische Jugendliche interessant.

Zwar gibt es sie auch, die ideologisch sattelfesten Neonazis, die sich ganz dem politischen Kampf verschreiben. Doch innerhalb der militanten, rechten Jugendkultur sind sie die Ausnahme. Den meisten Rechten genügt es zu wissen, wo sie stehen. Das Bedürfnis, ihre Position durch Argumente zu untermauern, haben die wenigsten. Aus den Medien picken sie sich das heraus, was ihre vorgefasste Meinung stützt: Schlagzeilen über "Ausländerkriminalität", "Asylbetrüger", "mangelnde Integration" und "deutsche Leitkultur".

Alles Unbekannte macht ihnen Angst: Toleranz im Umgang mit Fremden, ein stabiles Selbstbewusstsein, das auch ohne Clique im Hintergrund auskommt, und individuelle Stärke fehlen. Der Einzelne gibt die Verantwortung ab. Die rechte Szene funktioniert im Rudel. Es herrscht das "Wir" der Kameradschaft.

Auf der Suche nach "deutscher Ordnung" gibt es manche rechte Gruppen, die ihren Alltag regelrecht ritualisieren. Alles ist festgelegt: die Erkennungscodes, die Farbe der Schnürsenkel, das Verbot von "Fremdwörtern", der zulässige Musikgeschmack (kein HipHop, kein Reggae, kein Soul) - und auch "undeutscher" Döner Kebap ist selbstverständlich verpönt.

Die rechte Ideenwelt lebt von extremer Vereinfachung: Jeder Mensch und jede Sache ist entweder gut oder böse, schwarz oder weiß. Zweifel und Differenzierungen haben hier keinen Platz. Der Gruppenzwang tut ein Übriges, er schweißt die Szene zusammen und verhindert in vielen Fällen den Ausstieg. Denn wer die Szene verlässt, kann nur ein Verräter sein...

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Autorin / Autor: Björn Bossmann, www.mitmischen.de - Stand: 11. Februar 2005