Die DatensammlerInnen

Rabatt - schön und gut, aber wollt ihr wirklich, dass alle wissen, was ihr gern kauft? Wie Kundenkarten die Privatsphäre verletzen...

Stellt Euch vor, ihr kommt aus dem Supermarkt, habt zwei prallvolle Plastiktüten in der Hand und werdet angesprochen: Packen sie bitte mal alle ihre Einkäufe aus und legen sie sie hier auf den Tisch, so, dass wir alles gut sehen können. Mein Mitarbeiter wird jetzt notieren, was sie gekauft haben, dafür benötigen wir auch noch ihren Personalausweis, ihre Telefonnummer und ihre E-Mail-Adresse. Würdet ihr euch das gefallen lassen? Nein? Viele von euch tun es aber - allerdings möglicherweise ohne es zu wissen.

Am schnellsten wird man mit einer Kundenkarte zum gläsernen Shopper, zur gläsernen Shopperin. Um mit den inzwischen weit verbreiteten Rabattkarten (z.B. PAYBACK) ein bisschen was zu sparen, füllt man schnell mal ein Antragsformular aus. Meist im Vorraum des Supermarktes, etwas in Eile, und schwupps hat man im Kleingedruckten übersehen, dass man der Datensammelleidenschaft der Supermarktkette zustimmt. Und: Man hat auch schnell übersehen, dass man durch einfaches Nicht-Widersprechen zugestimmt hat, dass alle persönlichen Daten an Dritte weitergegeben werden können. Ein Vergleich der Zeitschrift Finanztest im Februar 2005 hat gezeigt, dass KundInnen nur bei 2 von 36 Karten anonym bleiben können, obwohl Name und Adresse für ein Rabattsystem gar nicht nötig wären.

*Und was ist so schlimm daran, dass jemand weiss, wann und welchen Käse ich kaufe oder wieviel Toilettenpapier ich brauche?*

Nun, das Problem sind oft nicht die einzelnen Informationen über eine Person, sondern die theoretische oder tatsächlich auch praktische Möglichkeit, diese zu kombinieren. Und die Masse an personenbezogenen Daten, die bereits in Hunderten von Datenbanken lagern. Konstruieren wir uns mal ein Beispiel: Dirk H. hat jahrelang an seiner Schule die Oberstufendisco organisiert. Dazu gehörte auch der Getränkeeinkauf, u.a. jeweils ein paar Kästen Bier. Die hat er im großen Supermarkt vor Ort gekauft. Natürlich mit Kundenkarte, weil das bei der Summe ganz schon Bonus-Punkte gab. Nach dem Abitur hat sich Dirk H. bei dem Supermarkt um einen Ausbildungsplatz beworben. Die Personalabteilung hat sich mal schnell das Kundenprofil von Dirk H. angeschaut und festgestellt, dass er durchschnittlich drei Kästen Bier pro Woche gekauft hat. Ob er wohl zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird? Das eigentliche Problem dabei ist nämlich, dass man nur allzu schnell einen Stempel aufgedrückt bekommt - und nicht mehr los wird. Einmal ein Etikett, ist man vielleicht für ewige Zeiten ein/e BierkastenkäuferIn, KettenraucherIn oder was auch immer.

Oder auch der Mieter zweiter Klasse: Auf eine ganz clevere Idee ist z.B. die Firma infas GEOdaten gekommen. Sie ist systematisch durch Deutschland gefahren und hat fast alle Straßen und Gebäude danach bewertet, ob dort Mehrfamilienhäuser oder teure Villen sind, welche Autos vor der Tür stehen etc. Man kann also zu vielen Adressen in Deutschland abfragen, ob dort augenscheinlich reiche Leute wohnen oder eher Sozialhilfeempfänger. Sucht man eine Wohnung und kommt aus einem schlecht bewerteten Gebiet, stehen die Chancen mit Sicherheit schlechter... Eine andere Firma bietet HauseigentümerInnen und VermieterInnen die Möglichkeit, unliebsame MieterInnen in eine Liste einzutragen. Da kann dann jede/r andere VermieterIn vor dem Abschluss eines Mietvertrags nachschauen, ob der/die WohnungsinteressentIn woanders schon mal wegen lauter Musik oder Zahlungsschwierigkeiten aufgefallen ist.

Wenn die Daten auf Reise gehen...

Noch schwieriger wird es, wenn verschiedene Datenbanken miteinander verknüpft werden, ohne dass Betroffene etwas davon wissen. So etwas darf eigentlich gar nicht vorkommen. Das Datenschutzgesetz verbietet es, Kundenprofile weiterzugeben oder gar zu verkaufen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besagt u.a., dass jeder selbst über die Veröffentlichung und Nutzung seiner persönlichen Daten entscheiden darf.
Aber wie schnell hat man zugestimmt!? Mal eben bei einem Gewinnspiel am Bahnhof mitgemacht (man musste sowieso warten und es gab einen Porsche zu gewinnen...!) und schon wird man Zuhause mit Werbeanrufen von Versicherungen und Autovermietungen belästigt. Wie kommt’s? Auf der Teilnahmekarte wurde neben der Adresse auch nach Hobbies, Einkommen und der Telefonnummer gefragt ("Alle Gewinner werden telefonisch benachrichtigt"). Im Kleingedruckten stand "Ich bin damit einverstanden, dass mir telefonisch und schriftlich interessante Angebote unterbreitet werden. Meine Daten dürfen an ausgewählte Geschäftspartner weitergegeben werden".

Wer also bei seinen Bewerbungsgesprächen nicht nach all den Bierkästen gefragt werden will, sollte...

  • Name, Adresse, E-Mail-Adresse etc. wirklich nur angeben, wenn es unbedingt notwendig ist. Handynummern, Familienstand, die Höhe des monatlichen Einkommens, Hobbies etc. sollte man in der Regel immer verschweigen.
  • bei der Angabe von persönlichen Daten immer das Kleingedruckte lesen. Der Weitergabe der Daten an Dritte immer widersprechen.
  • seine Daten manchmal leicht ändern: Wird man zur Angabe von persönlichen Daten genötigt, obwohl dies bei der betreffenden Sache nicht notwendig ist, kommt man so meistens weiter. Der Computer kann selten eine falsche Adresse erkennen, und wenn ihr z.B. einen falschen Vornamen eingebt, könnt ihr nachher auch prima feststellen, an wen der Anbieter eure Adresse verkauft hat.
  • bei Kundenkarten überlegen, ob man wirklich eine braucht. Die regelmäßigen Ersparnisse sind oft nicht der Rede wert.
  • Hat man eine Kundenkarte, sollte man trotzdem Preise vergleichen. Manchmal spart man mehr, wenn man auf die Bonuspunkte verzichtet und statt dessen im Nachbargeschäft zuschlägt.

Dieser Artikel wurde uns von "checked4you", dem Jugendmagazin der Verbraucher-Zentralen NRW, zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

Autorin / Autor: checked4you - Stand: 10. März 2005