Mit einem Lächeln im Bauch - Teil 3

Buddhismus ist keine Sekte...

*LizzyNet*: Und was macht ihr , wenn ihr euch trefft?

*Christina*: Wir chanten und lesen die buddhistischen Schriften, z.B. das Lotos-Sutra, die Briefe des Mönchs Nichiren Daishonin, der im 13.Jhd. in Japan lebte und diesen Buddhismus entwickelt hat und die Reden und Vorträge des Präsidenten der Laienorganisation "Soka Gakkai" (= jap. für werteschaffende Gesellschaft), Daisaku Ikeda. Allein ist es oft schwer, ihre Bedeutung zu verstehen. Deshalb gibt es auch die Soka Gakkai. Sie besteht aus vielen kleinen Gruppen, die sich regelmäßig und freiwillig treffen, um über alle Bereiche des Lebens aus der Sicht des Buddhismus zu sprechen. Meistens treffen wir uns privat in Wohnungen der Mitglieder. Es gibt auch regelmäßig Versammlungen für Gäste, die uns über den Buddhismus Fragen stellen können und Treffen, bei denen alle zusammen chanten können. Die Treffen sind freiwillig und unverbindlich. Ich verabrede mich oft im Alltag mit befreundeten Mitgliedern, um gemeinsam zu chanten, weil das mehr Spaß macht.

*LizzyNet*: Wie reagieren die Leute (auch deine Familie und deine FreundInnen) darauf?

*Christina*: Meine Eltern...ich erzählte ihnen erst nach und nach, was ich da mache, je wärmer ich mit dem Buddhismus wurde. Das ging relativ schnell. Außerdem befindet sich eines der Kulturzentren der Soka Gakkai in meiner Heimatstadt und so fuhren sie mich ab und zu mit dem Auto hin und ich lud sie auch mal zu Konzerten und dem „Tag des offenen Denkmals“ (die Villa mit unserem Zentrum steht unter Denkmalschutz) ein. Sie meiden beide die buddhistischen Veranstaltungen, weil es ihnen wohl doch noch zu fremd ist. Aber von den übrigen „harmlosen“ Besuchen kommen sie jedes Mal begeistert nach Hause. Wie offen und freundlich die Menschen dort wären und so. Ich muss dazu sagen, dass die Soka Gakkai mit ihrem japanischen Ursprung die Einwohner meiner Heimatstadt zunächst sehr irritiert hat. Daher gab es viele eigenartige Gerüchte und Misstrauen, zumal die Mitglieder so ein sympathisches, ehrliches Auftreten haben. Mein Vater fragte aber nur zu Anfang, ob es Geld kostet und ob die Soka Gakkai eine Sekte sei. Ich konnte beides verneinen. Ich musste bis heute keinen Cent bezahlen (es sei denn ich habe den Wunsch, für die Erhaltung des Zentrums zu spenden, und wenn es nur ein Euro ist) und auch das typische Merkmal einer Sekte, die Mitglieder von ihrem sozialen Umfeld und Familie zu isolieren, weist die Soka Gakkai auch nicht auf, im Gegenteil.
Schon nach gar nicht langer Zeit meines Praxisbeginns bemerkten meine Eltern sogar meine positive Entwicklung. Bei meinem Eintritt wollte mein Vater unbedingt dabei sein, schließlich war er auch bei meiner Taufe dabei. Also kam er am Neujahrstag nach Köln und feierte mit mir und meinen Mit-Buddhisten diesen Tag. Die Zeremonie und die Menschen haben ihn sehr beeindruckt. Hinterher sagte er, ich sei ja sehr gut aufgehoben in dieser Gruppe. Das Chanten selbst versteht er irgendwie nicht. Ich habe vor, es eines Tages mit ihm auszuprobieren. Meine Schwester hat kürzlich eine Versammlung mit mir besucht, weil sie neugierig geworden war und chantete auch gleich ein bisschen mit. Auch ihr gefielen die Atmosphäre und der Umgang der Leute miteinander. Die meisten meiner Freunde konnten von Anfang an verstehen, was ich ihnen über den Buddhismus erzählte. Die buddhistische Sichtweise leuchtete ihnen irgendwie ein. Meine Freunde sehen die positive Entwicklung in meinem Leben und finden das gut.

*LizzyNet*: Hast du auch einen Bezug zu den Ländern, aus denen der Buddhismus kommt?

*Christina*: Ich war bislang weder in Indien, noch in China oder Japan. Aber nach Japan möchte ich schon gerne mal. Dann kann ich vielleicht einiges im Buddhismus noch besser verstehen. China und Indien möchte ich auch mal besuchen. Ich hoffe sehr, diese Reisen mal für einen Arbeitsauftrag zu machen. Mal sehen, was daraus wird. Was die buddhistische Ausübung betrifft, habe ich schon oft Meinungen gehört, Buddhismus würde nicht in die Kultur unserer Breitengrade passen. Und dann auch noch japanischer Buddhismus. Ich denke, man kann von fremden Kulturen ein Menge lernen und seinen Horizont erweitern. Außerdem richtet sich dieser Buddhismus in keinem Punkt gegen meine Person und meine Einstellung, vielmehr bereichert er mich. Die Ausübung des Chantens ist überall gleich, aber vieles andere wie z.B. die Kulturzentren oder der Altar, in dem ich meinen Gohonson aufbewahre, unterscheidet sich minimal, passend zur jeweiligen Kultur und Lebensweise des Landes. Als Mensch unter Menschen dieser Welt finde ich relativ unwichtig, aus welchem Land mein Glaube ursprünglich kommt.

*LizzyNet*: Kann man eigentlich auch wieder "austreten" wie in der Kirche?

*Christina*: Kann man. Manche hören nach Jahren auf zu praktizieren, manche chanten ein Mal in ihrem Leben, andere chanten eine zeitlang, hören dann auf und fangen irgendwann wieder an. Ich denke, es ist ganz sicher nicht einfach, sich immer wieder aufs Neue herauszufordern, die Zweifel zu besiegen und sich weiterzuentwickeln. Mit der Zeit kann man dessen bestimmt müde werden oder zu der Überzeugung gelangen, man sei angekommen. Es gibt im Leben aber kein Ende in der menschlichen Entwicklung. Das wäre unrealistisch. Realistisch ist, sich im Laufe der Praxis zu einem weisen Menschen zu entwickeln und durch Mut und Mitgefühl mit allen Situationen im Leben umgehen und an ihnen wachsen zu können. Seitens der Soka Gakkai ist ein Austritt kein Problem.

*Vielen Dank, Christina, für das Interview :-)*

Lizzynet steht übrigens in keiner Verbindung zur buddhistischen Organisation Soka Gakkai.

Autorin / Autor: Redaktion/ Christina