Verliebt in ein Poster

Ist die Liebe zu Stars lächerlich, gefährlich oder ganz normal?

„…ist er nicht unendlich süß?“ „Ich sterbe, wenn ich mir ihn nur vorstelle…“ „Waaaas?? Er hat ne Freundin? Die werd’ ich umbringen!“

Schwärmerei oder Wahnsinn? Ist die Liebe zu Stars lächerlich, gefährlich oder ganz normal? Fast alle Mädchen in einem bestimmten Alter himmeln lieber das Plakat ihres Lieblingsstars an, als sich in den pickeligen Nachbarsjungen zu verlieben. Kein Wunder: Bill, Tom, Richie und Chris sehen besser aus, tragen die cooleren Hosen, sind makellos, meckern dich nicht an und sind einfach perfekt. Ein Idol macht keine Fehler, ist nicht alltäglich und ist ganz weit weg. Er oder sie ist so etwas wie ein kleiner Gott. Und der wird eben angebetet. Einen Star anzuhimmeln, den man nicht im realen Leben kennt, ist übrigens die reinste Form romantischer Liebe. Denn in der romantischen Liebe geht es auch darum, dass die Liebenden nicht wirklich zusammen kommen. Romeo und Julia teilten dieses Schicksal, aber auch die Liebesgeschichte zwischen Leonardo DiCaprio und Kate Winslet im Film Titanic wurde besonders dramatisch dadurch, dass einer von ihnen sterben musste, bevor sie überhaupt zu einem richtigen Paar wurden (und selbst das hätte nicht geklappt, weil auch hier Klassenunterschiede im Spiel waren…)

Romantisches Liebesideal

Da unser Bild von der Liebe ein romantisches ist (die meisten Menschen heiraten heutzutage nicht mehr wegen der Sicherheit oder aus wirtschaftlichen Gründen), geht der Liebe eben nicht selten eine Schwärmerei voraus. Gegen Schwärmerei ist nichts einzuwenden, das ist völlig normal, aber was ist, wenn sich diese Schwärmerei auf jemanden bezieht, den man gar nicht kennt und auch gar nicht kennen lernen kann, der einen nur von Postern anlächelt, dessen Stimme immer nur  öffentlich ist? Was ist, wenn diese Schwärmerei für einen Unbekannten krankhaft wird? Wenn man vor einem Konzert so zitternde Knie bekommt, dass man einen Unfall hat oder alle Klassenarbeiten total verhaut? Wenn man unbedingt herausfinden muss, wo sich der „Geliebte“ gerade aufhält, oder wie verrückt hinterher ist nach allen Neuigkeiten über ihn? Oder wenn Leute anfangen zu behaupten, sie hätten eine intime Beziehung zu ihrem Star? Für ein solches Extremverhalten gibt es sogar einen Spezialbegriff: Stalking. Stalking ist das Verfolgen und Belästigen einer Person aufgrund von starken unerwiderten Gefühlen. Oft betroffen sind davon eben auch Prominente. Manche von ihnen wurden aufgrund von Stalking sogar Opfer eines Mordes.

Jungs sind auch nur Fans ;-)

Denkt man an verrückte Fans, fallen den meisten zuerst kreischende Mädchen ein, die vor Aufregung in Ohnmacht fallen – dabei gibt es genauso viele männliche **Fan**atiker, die zum Beispiel ihrem Fußballclub hinterherreisen. Und bei Hooligans bricht dabei sogar krankhafte Aggression aus.

Pop-Poster statt Kreuz

Wann und warum kippt die Begeisterung für einen Star in Besessenheit um? Und woran kann man es merken? Eigentlich ist es einfach: Man verliert den Bezug zur Realität, dichtet sich Erlebnisse herbei, die nicht wirklich stattgefunden haben und bastelt sich  mehr und mehr eine virtuelle Welt, an der nichts mehr wahr ist. Das ganze Taschengeld geht für Fanartikel drauf, die Nachricht, dass der geliebte Star eine Freundin hat, verursacht echten Liebeskummer mit Bauchschmerzen und allem Drum und Dran. Es gibt Menschen, die das als „krankhafte Idolatrie“ bezeichnen. Idolatrie heißt eigentlich Verehrung von Gottesbildern. Und weil Idole, berühmte Persönlichkeiten und Pop-Stars durch die Medien inszeniert werden wie moderne Götter, ersetzen sie heute Marienbild und Kreuz. Fast schon religiös sind dann auch die Gefühle für den angebeteten Star und man beginnt, ihm Fähigkeiten zuzuschreiben, die er als Mensch nicht haben kann.

Üben für's Leben

Zugegeben, diese Fälle sind schon extrem und die meisten von euch werden sicher nie so weit gehen, auch wenn sie bei Lizzynet Online-Demos androhen, um einen Tokio-Hotel-Club zu bekommen ;-). Manche PsychologInnen behaupten sogar, dass die Liebe zu einem Star gar nicht so schlecht ist und ein erstes Übungsfeld für Beziehungen im realen Leben sein kann. Hier könne man auf ungefährliche Weise üben, wie man mit Verliebtheitsgefühlen umgeht.

Hilfe

Wenn das virtuelle Rollenspiel allerdings so ernst wird, dass ihr an nichts anderes mehr denken könnt, solltet ihr euch Hilfe holen. Bei einem der vielen Sorgentelefone oder Online-Beratungen für Jugendliche oder bei euren Freundinnen :-).

Und zu Schluss noch einige Tipps, wie ihr von Bill und all den anderen loskommen könnt, wenn ihr wollt ;-)

  • Stars sind auch nur Menschen: Stellt euch doch mal vor, wie euer "Gott" aussieht, wenn er schlechte Laune hat...
  • Einen Star übermäßig anzuhimmeln, macht auf die Dauer einsam! Geh lieber mal mit deinen Freundinnen in die Stadt, das macht mehr Spaß, als dauernd über einen Unsichtbaren nachzugrübeln.
  • Ein Star ist ein Star und wird niemals dein Geliebter! Auch wenn du ihm noch so viele Briefe schreibst. Wenn du Sehnsucht hast nach einer Beziehung, versuch's lieber mit einem in deinem Alter und aus deiner Umgebung; seine Blicke und Streicheleinheiten sind wenigstens echt ;-).
  • Wenn du es wirklich ernst meinst und du deinen Star loslassen willst, dann mach richtig Schluss! Schreib ihm einen Brief und pack alles rein, was du ihm schon immer mal sagen wolltest. Loszuschicken brauchst du ihn ja nicht, Hauptsache, du hast dir mal alles von der Seele geredet...
Autorin / Autor: Rosi Stolz - Stand: 12. Januar 2006