Die Pforte zur Freiheit

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Da ist sie. Die Tür. Die Tür, die mir seit Tagen meinen Schlaf raubt. Die mich magisch anzieht.
Vor einer Woche bin ich das erste Mal nachts aufgewacht und, wie in Trance, jede Nacht zurückgekehrt. Jedes Mal, wenn ich vor ihr stehe, ist sie ein Stück weiter geöffnet. Und mit jeder Nacht wird das Verlangen größer, den Griff zu packen, die Tür aufzureißen ihr Geheimnis zu lüften.
Mir war diese Tür vorher noch nie aufgefallen. Sie ist auf unserem Dachboden und obwohl ich dort schon öfter war hab ich sie nie bemerkt. Dabei ist sie beachtlich groß. Sie erinnert mich ein bisschen an ein altes Tor, wie aus Filmen oder Büchern. Durch den Spalt zwischen Tür und Türrahmen konnte ich Nebelschwaden sehen. Aber keine weißen, wie man sie kennt, sondern graue. Bei ihrem Anblick lief mir ein Frösteln den Rücken herunter.
Eigentlich, sagte mir mein Verstand, sollte ich wieder ins Bett gehen, doch eine magische Kraft zog mich immer näher zu der Tür hin. Sollte ich es wagen den Schritt durch die Tür machen? Ich konnte nicht wissen, was sich dahinter verbarg. Was, wenn hinter der Tür ein Abgrund gähnte und ich mitten in den Tod stürzen würde? Ich musste es wagen, ich konnte nicht anders. Deshalb ergriff ich die Klinke und öffnete die Tür. Wegen des Nebels konnte ich immer noch nichts sehen, doch jetzt drang eine Melodie zu mir vor. Etwas Derartiges hatte ich noch nicht gehört. Die Töne waren nicht von dieser Welt. Aber sie nahmen mir die Angst. Ich fühlte mich auf einmal so geborgen- Und ich machte den Schritt…
Es war kalt. Regen peitschte mir ins Gesicht. Was war passiert? Nur langsam erinnerte ich mich wieder. Ich bin aus dem Bett gestiegen, langsam die Treppe hochgelaufen und dann durch die Tür gegangen… Das alles kam mir vor wie ein Traum. Erst jetzt fühlte ich mich wieder aller meiner Sinne mächtig. Wo war ich? Das einzige was ich feststellen konnte war, dass ich mich in einem Wald befand. Wegen des Nebels konnte ich nichts sehen. Die Musik war jetzt nicht mehr zu hören und plötzlich hatte ich furchtbare Angst. Was sollte ich tun? Ich fühlte mich so allein, verlassen. Warum bin ich nur durch diese Tür gegangen? Ich wünschte, ich hätte dieser Musik widerstanden. Aber jetzt war es zu spät. Verzweifeln hilft mir nichts. Ich sollte nach einer Möglichkeit suchen, wieder nach Hause zu kommen.
Also schaute ich mich um. Der Regen war schwächer geworden und der Nebel hatte sich verzogen. Ich konnte nun besser sehen. Mir wurde bewusst, dass ich auf einer Lichtung stand, in deren Mitte ein Brunnen war. Ich trat näher und schaute hinein. Beim Anblick dieser undurchdringlichen Schwärze kroch mir die Angst den Rücken hinunter, Panik ergriff mich. Ich wollte nur noch weglaufen. Ich rannte zum Rande der Lichtung, es schien der einzige Ausweg zu sein. Es war nicht weit bis zu dem Punkt, an dem die Bäume dichter wurden. Ich kam an und stieß an eine unsichtbare Wand.
Da fiel es mir ein... Die Bäume, die Lichtung, der Brunnen, das hatte ich schon mal gesehen. War es in einem Traum gewesen? Tief in mir wusste ich, dass der Brunnen die Lösung war. Ich musste in den Brunnen. Ich ging wieder zur Mitte der Lichtung, fasste mir ein Herz und sprang hinein. Nach einer endlos scheinenden Zeit tauchte ich ins Wasser ein. Sobald ich den steinigen Grund berührte, stieß ich mich fest ab, um wieder an die Oberfläche zu kommen. Über Wasser erkannte ich beim näheren Hinsehen einen Hebel, und da mir nichts anderes einfiel, drückte ich ihn nach unten. Zuerst geschah nichts, bald merkte ich, wie das Wasser langsam weniger wurde und schnell stand ich auf dem Trockenen.
Plötzlich hörte ich eine raue Stimmer hinter mir sprechen: „Ich habe Dich erwartet.“ Erschrocken drehte ich mich um und sah einen alten Mann, der in einen Umhang gehüllt war und dessen Gesicht fast nicht zu erkennen war. „Wer sind sie?“, stotterte ich. „Ich bin Azurius und ich möchte, dass du mir zuhörst. Ich will dir erklären, was ich in diesem Brunnen mache. Vor langer Zeit hat ein Zauberer versucht, einen Spruch zu finden, um Schwarze Magier irgendwo festzuhalten. Nach einiger Zeit dachte er, es sei ihm geglückt und ich bot an, als Testperson zu fungieren. Leider war ich zu dieser Zeit anderen gegenüber zu gutgläubig und man hat mich hier festsitzen lassen. Du musst wissen, dass in diesem Magischen Brunnen keine Zeit vergeht. So bin ich auch nach Jahren nicht einen Tag gealtert. Am Anfang war ich wütend, habe mich ausgenutzt, alleine gefühlt. Doch dann kam ich zu dem Entschluss, dass es nichts bringt, also überlegte ich mir einen Ausweg aus dem Schlamassel. Als man mich damals in den Brunnen hinabgelassen hat, hatte ich zum Glück meine Kristallkugel dabei. Und mit ihr suchte ich nach jemandem, der mich von hier befreien kann. Und ich sah Dich, meine Liebe. So habe ich eine Tür auf eurem Dachboden erschaffen und Dich mit einem Zauber belegt, durch den dich die Tür magisch anziehen sollte. Das alles hat ja glänzend funktioniert, denn nun bist du da. Ich habe nur eine Aufgabe für Dich: Du sollst diese Kugel aus dem Brunnen bringen. Dann bin ich frei.“ „Was? Wie soll ich das denn schaffen? Ich komme ja selbst nicht hier raus!“ „Keine Sorge, das sollte kein Problem sein. Dich kann ich mit Hilfe meiner Kräfte hier rausbringen, nur ich bin mit einem Bann belegt. Könntest du mir nur den Gefallen tun? Ich helfe Dir auch nach Hause.“
Wieso hatte dieser Mann mich ausgewählt? Was sollte ich tun? Ich musste unbedingt nach Hause, also willigte ich ein.
„Nun gut, hier, meine Kugel. Gib acht auf sie. Ich erschaffe jetzt eine Wolke und du musst dich nur hochtragen lassen.“ Sogleich schob sich die Wolke unter meine Füße und trug mich nach oben. Dort angekommen erfüllte plötzlich ein Leuchten, das von der Kugel ausging, die ganze Lichtung. Ich wusste: Der Bann war gebrochen- Und ich lag wieder zu Hause im  Bett. Ich war so erschöpft, dass mir sofort die Augen zu fielen. Und noch in der selben Nacht träumte ich von Azurius und spürte: Er war glücklich.

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Autorin / Autor: Julia K., 13 Jahre - Stand: 15. Juni 2010