Samhain Nacht

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Samhain Nacht

Frostige Stille lag über der Lichtung im Wald. Der Mond stand voll am Himmel- ein ganz besonderer Mond-Samhain-Mond.

Auf der Lichtung, am Füße einer knorrigen Eiche, war ein Fünfstern aus Steinen. An vier der Zacken standen Schalen- in einer war Wasser, in einer Feuer, in einer Erde und in einer nichts- nur Luft. Der Platz am fünften Zacken war leer.

In der Mitte des Sterns stand eine Frau einen schwarzen Umhang um die Schultern, eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Kein Lüftchen regte sich, als sie die Hände gen Himmel erhob. Die Kapuze fiel zurück als sie die Blick nach oben richtete und die Stimme zum Sprechen erhob:

„Fünf Elemente, seid nun vereinigt,

Heute Nacht unterm Neujahresmond;

Tore der ander'n Welt, öffnet Euch nun,

gebt auch den fünften Teil Eurer frei;

Wasser, der Ursprung, Wasser das spendet,

Reinheit und alles Leben der Welt!

Feuer, das brennet, Feuer das leuchtet,

bringt die Erkenntnis Sterblichen dar!

Erde, die Mutter, Erde, der Anfang,

bringt doch alljährlich Früchte hervor!

Luft, die wir atmen, Luft alles flücht'ge,

das für uns im Verborgenen wirkt!

Geist, Du das fünfte, Geist nun erscheine,

hebe Dich aus der anderen Welt!

Tritt nun hervor und sei heute bei uns

hier in vergänglich törichter Welt!

Öffne das Tor, das trennet die Welten,

Heute nicht ganz verschlossen uns steht.

Künde uns von vergessenem Wissen,

Geistern und Feen und ewigem Sein!

Lehre uns wissen, lehre uns kennen,

Wesen der Welt,verborgene Kraft

unserer Erde, unseres Lebens.

Jene Kraft, die das Leben erschafft.

Geist, Du das fünfte, Geist nun erscheine,

hebe Dich aus der anderen Welt!

Tritt nun hervor und sei heute bei uns

hier in vergänglich törichter Welt!


Ein Flimmern durchzog die Luft, wie an einem heißen Sommertag. Wetterleuchten in der Ferne. Und etwas erschien. Etwas düsteres, großes. Plötzlich war es durch das Weltentor getreten und stand nur hier, am fünften Zacken des Sterns. Es war nicht von menschlicher Gestalt, ohne Augen schien es sie zu fixieren, ohne Nase zu wittern, ohne Mund machte es Geräusche, die noch kein Sterblicher vernommen hatte. Es schien in Tücher, ähnlich Leichentüchern gewickelt zu sein, die ohne einen Lufthauch wehten. Auch schien es nicht auf dem Boden zu stehen, sondern darüber. Es war wahrlich ein Geschöpf der anderen Welt. Aber es war nicht der Geist, den sie zu rufen gewünscht hatte.

Starr vor Schreck starrte die Frau es einen Augenblick an, unfähig, auch nur einen Gedanken zu fassen. Sie konnte nicht anders als dieses Wesen fasziniert zu bestaunen, dass gekommen war und das sie nicht hatte rufen wollen.

Einen Moment schienen beide erstarrt- dann richtete das Wesen sich zu voller Größe auf, umschloss sie und zog sie mit sich in die andere Welt aus der es so plötzlich gerissen worden war. Das Weltentor schloss sich. Der Fünfstern aus Steinen lag still unter der knorrigen Eiche und der Mond schien.

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Autorin / Autor: Julia, 17  Jahre - Stand: 15. Juni 2010