Aufarbeitung des Amoklaufs

Verherrlichen Medien die Gewalttat?

Vielen Menschen werden sie nicht so schnell aus dem Kopf gehen: die Bilder vom Amoklauf in Winnenden. In den Medien und der Politik wird fast jeden Tag über die Ursachen diskutiert und darüber, wie man weitere Amokläufe in der Zukunft verhindern kann.

Familien der Opfer fordern Änderungen

So haben sich zuletzt sechs Familien der ermordeten SchülerInnen von Winnenden in einem offenen Brief an Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger gewandt. Sie fordern unter anderem, dass der Zugang zu Waffen für junge Menschen erschwert wird. Auch wollen sie, dass weniger Gewalt im Fernsehen gezeigt und verherrlicht wird, vor allem in den Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche fernsehen. Die Familien kritisieren außerdem die Berichterstattung über die Tat in den Medien. Diese habe eine Aufmerksamkeit geschaffen, die zur Nachahmung anrege. Das Thema sei viel zu sehr voyeuristisch dargestellt worden. Die Betroffenen sprechen sich für eine Anonymisierung des Täters aus und dafür, dass sich die Medien bei der Berichterstattung doch ein wenig mehr zurücknehmen, damit es nicht zu einer Heroisierung des Täters komme.

Medien in der Verantwortung

Ähnliches fordern jetzt auch Kinderpsychiater. Der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie hat sich für eine respektvollere mediale Berichterstattung ausgesprochen. Anstatt dem ersten Foto des Täters und der Opfer hinterher zu jagen, sollten die Medien eher die Trauer und Bestürzung über die Tat in den Vordergrund rücken, meint der Verbandsvorsitzende. Die Medien hätten den Amoklauf eher als Event aufgefasst und dadurch die Tat verherrlicht.

Psychiatrische Hilfe für auffällige Jugendliche

Bei den Ursachen für solche Taten tappen allerdings auch die Psychiater im Dunkeln. Inwieweit Killer-Spiele und Gewaltdarstellung in den Medien Amokläufe begünstigen, sei wissenschaftlich noch nicht ausreichend geklärt. Auseinandersetzen müsse man sich trotzdem mit der immer weiter sinkenden Tötungshemmschwelle in Computerspielen und im Fernsehen.

Um weitere Fälle zumindest unwahrscheinlicher zu machen, müssen sich Eltern und Lehrer  darauf verlassen können, dass jedes Kind mit psychischen Auffälligkeiten ohne lange Wartezeit von einem Kinder- und Jugendpsychiater behandelt werden kann.

Themenchat mit Fachleuten

Um SchülerInnen und Eltern die Möglichkeit zu geben, über die schrecklichen Geschehnisse zu diskutieren, bietet die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. (bke) eine Serie von Chats unter dem Schwerpunkt „Virtuelle Lebenswelten“ an. Die Chatreihe startet am Montag, den 23. März für mit dem Thema "Ego-Shooter, Cyber-Mobbing, Amoklauf - die verzwickte virtuelle Welt". Die Kriminologin Karoline Roshdi und der Psychiater Prof. Dr. Adler werden mit Jugendlichen hierüber ins Gespräch kommen.

Am Mittwoch, den 25. März wird Tom Westerholt (Redakteur von 1LIVE) zum Thema „Computerspiele - für die einen Ursache von Gewalt, für die anderen Entspannung und Ablenkung" mit Jugendlichen diskutieren und die bke-Expertin wird am Donnerstag, den 26. März die Reihe für Jugendliche in dieser ersten Woche mit einem Chat zum Thema "Virtuell zusammen stehen - taugt das Internet, um belastende Erlebnisse zu verarbeiten?" beenden.

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 23. März 2009