Sind Amokläufe vorhersehbar?

Studie zu Gewalttaten an Schulen untersucht Frühwarnzeichen

Nachdem der erste Schock überwunden ist, flammen nun Diskussionen über die Ursachen für das schreckliche Verbrechen von Winnenden auf. Schuldzuweisungen in alle Richtungen machen die Runde: Unaufmerksame LehrerInnen und nachlässige Eltern, laxe Waffengesetze und gewaltverherrlichende Comuputerspiele, schlecht gesicherte Schulen, das Bildungssystem, mobbende MitschülerInnen - die vermeintlichen Gründe für die Schreckenstat werden überall gesucht und sind wahrscheinlich wesentlich vielschichtiger als die meisten sie sich wünschen würden. Es wäre ja zu schön, wenn man wüsste, dass es einen einzigen eindeutigen Grund gäbe, den man dann nur ausschalten müsste, um weitere Fälle zu vermeiden.

Lassen sich Amok-Läufe vorhersagen und verhindern?

Ebenso wünschenswert wäre, man könnte vohersagen, welche SchülerInnen gefährdet sind, zu MörderInnen zu werden. Eine Studie der Technischen Universität Darmstadt ist nun zu dem Ergebnis gekommen, dass es bereits im Vorfeld deutliche Warnzeichen bei Amokläufern gebe. PsychologInnen und KriminologInnen haben die Fälle von sieben deutschen Amokläufern aus den Jahren 1999-2006  genau durchleuchtet und sind dabei auf viele Parallelen gestoßen. Die 14 bis 22 Jahre alten Täter waren alle männlich, zeigten Interesse an gewalthaltigen Medieninhalten und hatten Probleme in der Schule. Über die Hälfte der Täter wurde von ihrem Umfeld als Einzelgänger wahrgenommen. Alle hatten im Vorfeld der Gewalttat Kränkungen, soziale Brüche oder Verlusterfahrungen erlitten und reagierten überwiegend sehr empfindlich auf diese. In allen Fällen fand der Amoklauf an der Schule statt, an der die Täter selbst Schüler waren (oder gewesen sind). Der wichtigste Punkt aber ist, dass die meisten Täter Suizid-Absichten äußerten, Todeslisten erstellten, Waffenbesitz offenbarten oder Rachabsichten bekannt gaben.

Endpunkt eines Weges zur Gewalt

"Diese schrecklichen Taten junger Menschen stellen den Endpunkt eines Weges zur Gewalt dar, der immer von Warnsignalen begleitet ist und dessen einzelne Schritte in sich logisch sind", erläutert Jens Hoffmann von der Arbeitsstelle für Forensische Psychologie der TU Darmstadt. "Denn zielgerichtete Gewalttaten und Amokläufe sind aus Sicht des Täters ein letzter Ausweg aus einer Krise, für die er keine anderen Lösungsmöglichkeiten mehr hat."

Bei vier der untersuchten Fällen war kurz vor der Tat eine ähnliche Gewalttat in den Medien publiziert worden. "Es ist deshalb davon auszugehen, dass nach Amokläufen wie in Winnenden ein erhöhtes Risiko für weitere Taten dieser Art besteht", so Jens Hoffmann.

Zielgerichtete Gewalttaten und Amok an Schulen lassen sich prinzipiell bereits im Vorfeld erkennen, ist sich der Studienleiter deshalb sicher.

Warnsignale nicht immer erkennbar

Im Fall von Winnenden zeigt sich aber, dass solche Warnsignale nicht unbedingt vorliegen müssen oder sie zumindest für das Umfeld nicht unbedingt zu erkennen sind. Zwar hat auch Tim dann und wann Counterstrike gespielt und war eher ein Einzelgänger, aber wenn man danach gehen würde, würde es vor Amokläufern nur so wimmeln. Die angebliche Ankündigung seines geplanten Massenmrodes in einem Internetforum hat sich als Fälschung herausgestellt, auch gibt es bislang keine Berichte über Todeslisten, Drohungen oder andere Hinweise über seine bevorstehende Tat.

So kann man Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen zwar auffordern, auf mögliche Anzeichen zu achten, dabei sollte es allerdings nicht darum gehen, andere misstrauisch zu beäugen und hinter jedem zurückgezogenem Jugendlichen gleich einen Amokläufer zu vermuten. Vielmehr geht es darum, aufeinander achtzugeben und auch mal das eigene Verhaltern kritisch zu hinterfragen, wenn man merkt, dass jemand aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen wird und den Kontakt zu seinen MitschülerInnen verliert.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 13. März 2009