Krise fördert Schmuddelwerbung

Beschwerden beim Werberat deutlich gestiegen

Nehmt ihr sie wahr, die tausend Millionen Werbeplakate, Anzeigen und Spots, an Bushaltestellen, in Zeitschriften, in Funk und Fernsehen mit allen Mitteln versuchen, eure Aufmerksamkeit zu erregen? Und habt ihr auch schon manchmal den Kopf geschüttelt über sexistische, dumme, unverschämte oder verletzende Werbekampagnen? Der Deutsche Werberat, die Selbstkontrolle der Werbebranche, stellt zumindest für das erste Halbjahr 2009 eine deutliche Zunahme von Beschwerden aus der Bevölkerung fest. Die Proteste sind um ein Viertel gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Auch hat der Werberat mehr Beanstandungen ausgesprochen und Rügen erteilt.

*Gestiegener Leistungsdruck auf den Märkten*
Ursache der wachsenden Menge umstrittener Werbung sieht der Werberat im gestiegenen Leistungsdruck auf den Märkten. "Das ist kein Grund, in der Werbung über die Grenzlinie gesellschaftlich akzeptierter Markt-Kommunikation zu gehen", mahnte der Werberat. Vor allem kleinere Firmen meinten, dass es in der Werbung hauptsächlich um die Produktion von Aufmerksamkeit geht. Aufsehen schaffe aber selten Ansehen für Marken und wecke kaum Sympathie für angebotene Waren und Dienstleistung. Aggressive Werbemethoden wandelten sich häufig zum betriebswirtschaftlichen Bumerang, der Kundenbeziehungen stören oder sogar kappen könne, so der Sprecher des Gremiums.

Menschenunwürdig: "24 h open"

Als demütigend und menschenunwürdig rügte der Werberat beispielsweise eine Propaganda-Variante der Hotelkette Hostel A&O (Beiersdorf-Freudenberg). Der Hotelbetreiber zeigt auf einer Werbepostkarte den Unterleib einer Frau im Bikini mit der Aufschrift in Höhe des Schambereichs "24 h open" sowie dem Text "Sexy Preise". Ebenso sah die Beschwerdeinstanz das Plakat der Baufirma WOFA GmbH (Weil in Schönbuch) als sexistische Geschmacksverirrung, die ein Frauengesäß im String und den Text zeigte "Nicht überall sieht Wasser so attraktiv aus". Auch hier erfolgte eine Öffentliche Rüge.

Übertrieben empfindsame Betrachter?

Allerdings sind die Beschwerden der Bevölkerung für den Werberat auch nicht immer nachvollziehbar. Freigesprochen hat das Gremium darum im ersten Halbjahr insgesamt 108 Kampagnen, unter anderem die Internet-Werbung des Produzenten eines Schaumbads. Der fand sein Produkt 'höllisch gut' und fragte die Umworbenen: "Heute schon gesündigt?". Der Beschwerdeführer sah in diesen Begriffen religiöse Empfindungen verletzt, was der Werberat mit dem Hinweis auf die Umgangssprache anders einstufte.

Auch die Abbildung von Models in Dessous auf Flächen von Straßenbahnen qualifizierte der Werberat nicht als "anstößig, aufreizend und Frauen diskriminierend", wie der Werbekritiker meinte.

Dass nicht nur bei manchem Firmenlenker die Phantasie bei der Werbung durchgeht, sondern auch bei Beschwerdeführern, zeigt der Fall der Werbung eines Geldinstituts. In einer Anzeige sind drei Jungen zusehen, sie stehen auf einer Bank, um über den Zaun hinweg ein Fußballspiel verfolgen zu können. Beworben wird ein Girokonto für Privatkunden und der Textzeile "Unentgeltlich". Der Protest dagegen: Das Wort "Unentgeltlich" sei in Höhe der Hinterteile der drei Jungen gesetzt. Diese Doppeldeutigkeit könne Pädophile ansprechen und sei daher gefährlich für Kinder. Das Gremium schloss sich dieser Einordnung des gezeigten Anzeigenbildes nicht an.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 1. September 2009