Wie Femvertising den Feminismus verkauft

Es ist mal wieder Weltfrauentag. Ein wichtiges Datum für alle, denen Frauenrechte und Gleichstellung am Herzen liegen. Aber nicht nur: Viele Unternehmen – von der Fast-Food-Kette bis hin zum Autohersteller – bringen zum Weltfrauentag Werbespots raus, die feministisch sein sollen. Sind sie es wirklich?

Am 8. März ist Weltfrauentag. Seit einigen Jahren werden wir an diesem Tag mit Femvertising überschüttet. Femver…. was? In dem Wort stecken “Feminismus” und “Advertising”. Gemeint ist ganz einfach die Strategie, ein bestimmtes Produkt mit Feminismus zu bewerben.

Bestimmt ist euch schon einmal Werbung begegnet, die euch vermitteln wollte: Dieses Produkt ist für coole Mädchen. Oder: Wenn du eine starke Frau bist, dann probier doch mal jenes Produkt. Oder: Wenn du dieses Produkt kaufst, dann kannst du als Mädchen oder Frau (noch) selbstbewusster sein. Femvertising ist eine von vielen Strategien, die zeigen, wie einfallsreich die Werbebranche ist, wenn es darum geht, uns etwas zu verkaufen.

Versteht mich nicht falsch: Ich finde Werbung nicht grundsätzlich schlecht. Es gibt exzellent gemachte Werbung und ein guter Werbespot ist wie ein kleines Kunstwerk. Nicht zuletzt steckt sehr viel Kreativität und Arbeit von Werbeschaffenden darin. Trotzdem lohnt es sich meiner Meinung nach, gerade bei Femvertising etwas kritischer hinzuschauen.

Ist Femvertising besser als Werbespots, in denen Frauen nur Hausfrau sind?

Moment mal, denkt ihr jetzt bestimmt. Femvertising ist doch besser, als Werbespots, in denen Frauen nur Hausfrau sind? Oder nur als sexy Dekoration vorkommen? Auf den ersten Blick schon. Femvertising bedeutet aber zunächst einmal nur, dass die Werbung sich unserer Lebenswelt anpasst – und das muss sie tun, um weiterhin unser Interesse zu wecken. Glücklicherweise sind Frauen heutzutage nicht mehr nur Hausfrauen und es gibt unter anderem auch viele Frauen, die erfolgreich sind, obwohl sie nicht klassischen Schönheitsidealen entsprechen.

Beides ist super, aber kein Verdienst der Werbung. Femvertising bildet diese Realität nur ab. Und was man über die vereinzelten positiven Beispiele von emanzipierten Frauen in der Öffentlichkeit leicht vergisst: Die Mehrheit der Frauen ist von Gleichstellung leider immer noch sehr weit entfernt. Um nur einen von vielen Punkten zu erwähnen: Frauen verdienen in fast allen Branchen deutlich weniger Geld als Männer. Der “Gender Pay Gap” zählt zu den unbequemen Themen, um die es im Feminismus geht – aber unbequeme Themen werden in den meisten Femvertising-Spots völlig ausgeblendet. Ganz einfach, weil sie schlechte Gefühle wecken. Und mit schlechten Gefühlen lässt sich weniger gut werben.

Grenzenlose Möglichkeiten der Selbstverwirklichung

Stattdessen hat sich in der Werbung ein populäres Bild von Feminismus durchgesetzt: Eines, mit dem sich sehr gut werben lässt, weil es sich eignet, um Produkte attraktiv erscheinen zu lassen. Feminismus wird dabei häufig mit der persönlichen Freiheit von Frauen gleichgesetzt; mit grenzenlosen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung – und zwar nicht zuletzt durch Konsum. Das beworbene Produkt soll ein unwiderstehliches Angebot sein, die persönliche Freiheit zu nutzen und noch zu steigern.

Typische Werbeversprechen im Femvertising lauten zum Beispiel: Wenn du als Mädchen zu Fast-Food-Kette XY gehst, dann bist du richtig cool und unkonventionell. Oder: Wenn du als Frau Auto XY fährst, dann zeigst du, wie emanzipiert du bist. Das sind Versprechen, die nüchtern betrachtet durchaus skeptisch machen – aber eingebettet in einen gut gemachten Werbespot total überzeugend wirken können.

Femvertising ist nicht Werbung für Feminismus

Vielleicht denkt ihr jetzt, dass doch jeder und jede weiß, dass man Werbung nicht immer so ganz ernst nehmen sollte. Warum ist Femvertising also kritisch zu sehen? Das hat damit zu tun, dass Werbung allgegenwärtig ist und – ob wir wollen oder nicht – oft unsere Wahrnehmung und unser Denken beeinflusst.

Werbung konzentriert sich, wie schon angedeutet, auf die kulturelle Dimension des Frauseins: Oft geht es darum, welche Kleidung Frauen tragen, welchen Lifestyle sie pflegen und welche Hobbies sie haben. Ihr werdet mir zustimmen, dass das nicht mehr wirklich die Bereiche sind, in denen man als Frau in Deutschland noch besonders  eingeschränkt ist. Aber was war nochmal mit “Gender Pay Gap” & Co? Eben diese unbequemen Themen, die vor allem politisch und von Frauen gemeinschaftlich angegangen werden müssen, geraten durch Femvertising aus dem Blick. Der Aspekt der Solidarität unter Frauen gerät in Vergessenheit – und damit ist Femvertising oft genau das Gegenteil davon, wofür der Weltfrauentag stehen sollte.

Wenn euch dieses Jahr am Weltfrauentag also wieder mitreißende Werbespots mit starken Frauenfiguren begegnen, dann denkt daran: Femvertising ist nicht Werbung für Feminismus, sondern mit Feminismus. Am Ende sollen die Zuschauer und vor allem die Zuschauerinnen einfach nur davon überzeugt werden, Produkt XY zu kaufen.

Empfehlungen zum Weiterlesen

  • Beate Hausbichler “Der verkaufte Feminismus” (Residenz Verlag)
  • Nancy Fraser “Neoliberalismus und Feminismus: Eine gefährliche Liaison” (Essay erschienen in “Blätter für deutsche und internationale Politik” (12/2013) )

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Autorin / Autor: Alexandra Feldhofer - Stand: 8. März 2022