Wertvolle Geschichten

Werte über persönliche Geschichten erlebbar zu machen, das ist das Anliegen des Museums für Werte. Die Initiator_innen Laura Ludwig und Jan Stassen erzählen die Entstehungsgeschichte dieses sich ständig verändernden Museums.

© Museum für Werte, Laura Ludwig/Jan Stassen

Wenn wir über Werte sprechen, dann zumeist über abstrakte Begriffe. Nicht so im „Museum für Werte“: Hier werden Werte durch persönliche Geschichten erlebbar gemacht. Mit einfachen Mitteln entstehen emotionale Räume der Reflexion und des Dialogs. Und das funktioniert so gut, dass das Team mittlerweile überall eingeladen wird – und von Wolfsburg bis München unterschiedliche Themenausstellungen plant. Klar, dass wir darüber mehr erfahren wollten. Laura Ludwig und Jan Stassen, die beiden Initiatoren, erzählen uns die auch sehr persönliche Entstehungsgeschichte dieser Institution.

Entstehungsgeschichte

Während Ziele, Pläne und Ängste ergebnisorientiert sind, sorgen sich Werte darum, wie wir Dinge tun. Beispielsweise geben sie vor, wie wir leben möchten. Sie haben eine moralische Implikation. Um es anders zu formulieren: Werte sind situationsunabhängige Entscheidungshelfer. Egal in welcher Situation ich mich auch befinde: Ich versuche, an meinen Werten festzuhalten.

Als wir angefangen haben, uns eingehender mit Werten auseinanderzusetzen, waren wir überwältigt von der Flut an Theorien und Texten zum Thema. Wenn man den Begriff „persönliche Werte“ in Google eingibt, bekommt man über 900 Millionen Treffer angezeigt. Deshalb begannen wir, uns auf unsere eigene Person und unsere soziale Umwelt zu fokussieren. Und stellten fest: Werte sind zumeist mit persönlichen Geschichten, Erfahrungen und Gegenständen verbunden.

Fragt man in seinem Bekanntenkreis nach einem bestimmten Wert, werden einem Hunderte unterschiedlicher Geschichten erzählt. Das Problem ist nur: Solche Geschichten bekommt man fast nie zu hören, weil es in unserer Gesellschaft keinen Raum (mehr) für sie gibt. Daher haben wir uns zusammen mit Freunden dazu entschlossen, solche Geschichten zu sammeln. Und gründeten das Museum für Werte.

© Museum für Werte, Laura Ludwig/Jan Stassen

Das Wertemuseum ist ein Raum für Geschichten

Im Museum für Werte kreieren wir einen echten Raum mit echten Geschichten und echten Menschen. Wir wollen Werte zugänglich und greifbar machen und neue Perspektiven eröffnen. Wir bitten Menschen darum, Geschichten einzureichen, die mit bestimmten Objekten verbunden sind. Diese Objekte sind Zeugen und Relikte, die uns daran erinnern, was wichtig ist. In alltäglichen Zusammenhängen werden die Erinnerungen und Life-Lessons, die mit ihnen verbunden sind, ignoriert. Im Museum entsteht eine Situation, in der sie sich öffnen und ihre Bedeutungen frei geben.

Wir eröffnen neue Perspektiven, ohne dogmatisch zu sein. In unserem Museum gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Unsere Hoffnung ist, dass wir Neugierde erwecken. Und einen Ort kreieren, wo sich die Menschen sicher fühlen und öffnen können. Wo sie ihre Werte entdecken und über sie nachdenken können. Und wo sie mit anderen in Austausch treten können.

Wir laden dich dazu ein, über fünfzig Geschichten zu lesen, die mit bestimmten Werten und Objekten verknüpft sind. Nachdem du in all diese einzigartigen Storys eingetaucht bist und die Objekte betrachtet hast, ermutigen wir dich, deine eigenen Werte zu reflektieren. Und sie mit anderen zu teilen.

Als wir mit unserem Museum angefangen haben, hat uns niemand geglaubt, dass das funktionieren würde. Man bezweifelte, dass jemand die Geduld aufbringen würde, so viele Geschichten zu lesen. Man bezweifelte, dass jemand die „normalen“ Gegenstände „normaler“ Menschen interessant finden könnte. Doch mit unserer ersten Ausstellung machten wir die schöne Erfahrung: Menschen sind sehr wohl an den Werten anderer interessiert. Und nicht nur das: Sie wollten selbst ihre Geschichten teilen. Heute haben wir schon über 200 Geschichten und Ausstellungsstücke. Daher fingen wir an, mit Schulen und Organisationen zu arbeiten und weitere Initiativen und Projekte zu starten. Beispielsweise haben wir 2018 mit dem Kunstmuseum Wolfsburg kooperiert und dort Geschichten und Objekte zu den Werten Respekt, Freundschaft, Toleranz und Freiheit ausgestellt.

Werde Teil der Werte-Ausstellung

Werte sind der soziale Kitt, der uns zusammenhält – trotz all unserer wundervollen Eigenarten. Wenn man seine Freund_innen, seine Familie oder seinen Partner darüber aufklärt, weshalb ein bestimmter Wert so wichtig für einen ist, und man dies nicht durch abstrakte Definitionen, sondern durch Geschichten mitteilt, bekommt man die Möglichkeit, sich auf einer völlig neuen Ebene miteinander zu verbinden. Und dies insbesondere in Zeiten, wo Misstrauen und Angst herrschen.

Wir ermutigen jeden, seine Geschichten zu teilen, anderen zuzuhören und hierdurch wenigstens einige der Mauern, die zwischen uns verlaufen, niederzureißen.

Denn: In einer Zeit, in der wir uns immer schneller und flexibler anpassen sollen, liegt die wahre Stärke eher darin, einen Schritt zurückzugehen, sich Raum zu geben und danach zu fragen, was wirklich wichtig ist. Genau dabei können persönliche Werte helfen: Sie ermöglichen es uns – trotz einer volatilen und nicht vorhersagbaren Lebens- und Arbeitswelt – dem inneren Kompass und dem selbst gesteckten Nordstern zu folgen.

Darum: Wann immer du eine Minute übrig hast, ermutigen wir dich, über deine eigenen Werte nachzudenken und sie als persönliche Geschichten niederzuschreiben. Lass die Geschichten so stehen, auch wenn du deine Meinung über sie änderst. Und am aller wichtigsten: Teile sie mit Menschen, die du liebst.

© Museum für Werte, Laura Ludwig/Jan Stassen

Museum für Werte in Kurzform

Was?

Das Museum für Werte ist eine Wanderausstellung, in der sogenannte „DUOS“, Kombinationen aus Anekdote und dazugehörigem Ausstellungsobjekt, präsentiert werden. Die Anekdoten spiegeln persönliche Erfahrung zu einem Wert wider; die Objekte fungieren als Zeitzeugen und spielen in der dazugehörigen Anekdote eine entscheidende Rolle. Das Museum schafft Raum, um sich über Werte verständigen und austauschen zu können.

Wie?

Die DUOS können zu jedem erdenklichen Thema entwickelt werden und von jedem Interessierten eingesandt werden. Die Auswahl der Werte hängt vom jeweiligen Ausstellungskontext ab. Am Ende eines jeden Ausstellungsbesuchs werden die gemachten Wahrnehmungen und Erfahrungen geäußert. Diese Reaktionen und Reflexionen werden für alle Besucher sicht- und spürbar dargestellt – und bei Bedarf auch online gespiegelt.

Weshalb?

Hinter dem Ausstellungskonzept liegt die Annahme, dass Werte innerhalb der heutigen Gesellschaft zwar wichtige individuelle und soziale Funktionen haben, aber nicht (mehr) ausreichend diskutiert werden. Das zeigt sich besonders dadurch, dass es an Orten fehlt, an denen solche Diskurse Platz haben.

(Der Artikel wurde uns freundlicherweise vom Bildungsmagazin INSIDE #2 der IG Metall, Ausgabe Juni 2019, zur Verfügung gestellt.)

Weitere Informationen

  • wertemuseum.de
    Falls ihr mehr über das Museum und seine Ausstellung wissen, lesen oder sehen wollt.
Autorin / Autor: Gastbeitrag: Laura Ludwig und Jan Stassen