Balance zwischen Ehrgeiz und Teamgeist

Soft Skills durch Sport? Klar, aber jeder Sport fördert andere Fähigkeiten. Genna gibt euch einen Überblick...

Manchmal unterschätzen wir die Dinge, die uns prägen genauso sehr wie die Dinge, zu denen wir neigen. Oft wissen wir auch noch nicht, was darunter zu verstehen ist. Was uns liegt, können wir aber gut herausfinden, wenn wir uns herausfordern, und in Situationen, die uns viel abverlangen, spüren wir am ehesten, zu welchen Reaktionen wir tendieren. Wohl bekannt, aber nicht immer richtig wertgeschätzt, ist, dass der *Sport* uns am schnellsten, gesündesten und leichtesten in diesen experimentierfreudigen, intuitiven Zustand versetzt.

Wer wagt, gewinnt

Und es ist bewiesen, wie sehr sportliche Zeiten und die damit verbundenen Ziele und Erfahrungen in unserem Leben uns formen, und dies zumeist auf positive und langfristige Weise. Davor muss man nicht unbedingt wissen, was einen erwartet. Man muss kein Meister sein, denn alles ist schwer bevor es leicht wird, so sicher auch der Sport. Wer wagt, gewinnt, gilt hier eher, zumal nahezu alle Sportvereine ein kostenloses Probetraining anbieten. Vielleicht ist es trotzdem hilfreich zu wissen, dass manche Eigenschaften in manchen Sportarten mehr gefragt sind oder gefördert werden als in anderen. Da Sport im Verein auch eine Art der *Bildung und Erziehung* ist, kann es praktisch sein, abzuschätzen, in welche Richtung die eine oder andere Sportart euch hoffentlich zukünftigen Sportlerinnen bringen kann. Mal, um Stärken zu betonen, oder mit Defiziten umzugehen.

Ästhetik und Aufrichtung

So kann beim *Ballett* die Haltung gefördert, begradigt, berichtigt werden. Harte Bewegungen werden weiter, fließender. Noch heute merke ich beim Laufen, dass ich mein Rückgrat bewusster aufrichte als andere, einfach weil mir das beim Ballett so eingetrichtert wurde. Allerdings sollte man - wenn man nicht nur das spielerische Tanzen anstrebt - mit Druck und hohen Anforderungen, die manchmal Grenzen überschreiten, kein Problem haben, sollte nicht von langsamer Musik und konsequenten Abläufen gelangweilt sein und sich unter strenger Beobachtung nicht unwohl fühlen. Definitiv benötigt man großen Ehrgeiz, aber auch die Fähigkeit, dies nicht verbissen zu sehen. Das kann unter anderem wirklich schwierig sein, wenn jede der Anderen im Raum graziler oder bemühter ist, und weil Ballett halt wirklich ein Konkurrenzsport unter Einzelnen ist.
Dafür schult dieser Sport den Blick für das Ästhetische und für das Detail. Unterschätzt werden sollte nicht die Anstrengung. Nicht nur mental, sondern auch körperlich außerordentlich herausfordernd. Wer Ballett als schwachen Sport abtut, hat ihn noch nie ausgeübt. Von den Sportarten, die ich bisher betrieben habe, war er mit Abstand der härteste. Man wird von jeder anfänglichen Balletttänzerin gehört haben, dass sie Kater und Krämpfe in Muskeln spürt, von deren Existenz sie vorher nichts wusste. Doch er hinterlässt eine kaum gekannte Erschöpfung, die sich sehr erfüllend anfühlt.

Herausforderung, Konzentrationsfähigkeit und Überwindung

Muskeln zu beanspruchen, die man eigentlich im Alltag nicht schult, hilft der Gesamtkoordination des Körpers und gegen Langeweile sowieso. Obwohl nach *Balancesportarten* ab und an eher die kleinen Muskeln schmerzen, ist ihr Vorteil für die gesamte gesunde Beweglichkeit enorm. Anfänglich eben für die Verbesserung der Balance und höhere Konzentrationsfähigkeit ausgeübt und nun zum Breitensport entwickelt, der freizeittauglich ist, aber auch Wettbewerbs- und Kunstcharakter hat: zum Beispiel Slack Lining. Natürlich habe ich es auch ausprobiert, nur zum Spaß. Das Kribbeln der Aufregung davor und des Adrenalins danach... Es macht süchtig, wenn man sich einmal überwunden hat. Überhaupt, sich zu trauen, zu überwinden und aus sich raus zu gehen - Eigenschaften, die man im Sport lernt, und zwar spielerisch, oftmals so, dass man es erst bemerkt, wenn die Veränderung bereits vollzogen ist. Die Anerkennung, den Stolz, den man erfährt und spürt, nachhaltig, wenn man es dann geschafft hat.

Einer für alle, alle für Einen

Das kann definitiv gesteigert werden, wenn man den Stolz einer ganzen Mannschaft spürt und nicht nur als Einzelne, sondern zusammen mit anderen Aufmerksamkeit erregt und Lob erhält und dies zusammen genießt, weil man sich all das als Team verdient hat. *Teamsport* steigert die Toleranz. Ein Seminar für Soft Skills muss man nach intensivem Teamsport bestenfalls nicht mehr besuchen. Toleranz, Motivation, Ehrgeiz, Respekt, Verständnis… unzählige Dinge lernt man, wenn man nur will. Die Schwächen die man hat, gleicht ein anderer aus, man lernt konstruktive Kritik auszuüben und zu akzeptieren, manchmal hört man lieber einer jüngeren Mitspielerin zu, der man vorher nicht viel zugetraut hatte, als einem älteren Trainer. Überraschungen bringt Sport beinahe bei jedem Training mit sich!

Pädagogik

Durch den Sport wird man erwachsener. Vereinsmitglied zu werden, eine Mannschaft zu unterstützen, an Wettkämpfen teilzunehmen – das alles bringt eine Portion Verantwortung mit sich. Automatisch geht man achtsamer mit seinem Körper um. Optimalerweise lernt man zwischen wichtig und unwichtig zu entscheiden, Prioritäten zu setzen. Überhaupt, Sport aktiv zu betreiben ist mit lauter Entscheidungen verbunden, alltäglichen, momentanen, langfristigen. Und man stellt sich darauf ein, sagen wir nicht Pflichten - sondern Versprechen zu halten. Loyalität ist eine Charaktereigenschaft, die man vielen Jugendlichen zuschreiben kann, die sich mit einem Sport, einem Sportclub, einem Sportteam identifiziert haben. Pünktlichkeit und Konsequenz, logischerweise *Charakterstärken*, die sich mit etwas Bereitschaft schnell verinnerlichen.

Gemeinsam wachsen

Vor allem in Ballsportarten ist diese enge Verbundenheit zur eigenen Mannschaft immer stark gekoppelt mit der *Unterstützung des Vereins*, denn dieser wird ja repräsentiert, und dieser steht im besten Fall (und darauf ist zu achten!) für die richtigen Werte und Einhaltung eines fairen Sports, spiegelt aber auch, typisch in *Ballsportarten*, oftmals einen Bezirk, eine Stadt, ein Bundesland, ein Land und auch eine Nation wider. Doch bleibt mal nur allein schon beim Verein, kann sich dort ein erstaunliches Zugehörigkeitsgefühl entwickeln, eine Art Zweitfamilie. Für andere mitzudenken, Gefühl, Verantwortung auch für jüngere oder schwächere Mitglieder zu übernehmen, weitet den Blick und sorgt auch für organisatorische Fähigkeiten. Rücksichtnahme, Umsicht, Respekt.

Präzision und ein starker Wille

Die drei letzten Attribute sind gerade in einer Sportart zuhause, wo man sie vielleicht eher nicht erwartet. Weil man im engen Körperkontakt mit fremden Menschen steht, und es gilt, einige Hemmungen davor abzubauen, ist Vorsicht und Achtsamkeit, aber eben auch Wertschätzung der Grenzen des anderen und der eigenen im Kampfsport gefragt. Man lernt auf sich zu hören, in sich hinein zu horchen und wird sich somit zügig seiner Stärken bewusst, kann seine Schwächen und Möglichkeiten besser einschätzen. Die Reaktion wird geschärft, was natürlich hilfreich für die Selbstverteidigung ist.
In diesem Teil des Berichtes soll aber auch deutlich werden, dass dies schlicht und einfach nicht der einzige Vorteil der *Kampfsportarten* ist. Ein geschultes Auge und hohe Konzentrationsfähigkeit, sowie Ausdauer und Kampfgeist, einen starken Willen, durch den man nicht bereit ist, schnell aufzugeben… und aber auch mit Höflichkeit zu akzeptieren, dass die Andere besser war und somit lernen, auch in wichtigen Kämpfen Niederlagen einzustecken und eine gewisse Schmerzresistenz zu besitzen, ist - wie man herausliest - nicht allein für das Sich-zur-Wehr-Setzen hilfreich, nicht nur für ungewollten Körperkontakt mit Fremden, sondern auch praktisch für die Höhen und Tiefen des Lebens, die nun mal jede von uns erfährt. Und anders als man denkt, zieht es immer mehr Mädchen zum Kampfsport, sodass ihr dort sicher nicht die Einzige sein werdet. Allerdings, selbst wenn: Eigeninitiative zu ergreifen und eure Einzigartigkeit zu akzeptieren, dies zu begreifen, kann euch der Sport auch lehren!

In eurem Element

Damit umzugehen, mit eurer Besonderheit im Mittelpunkt zu stehen, ohne arrogant zu werden, trotzdem in den Genuss eines guten Körpergefühls zu kommen und eine mentale Stärke aufzubauen, die man sowohl im Einzel- als auch im Mannschaftssport gebrauchen kann - das alles ist auch bei aktiver Bewegung in einem anderen Element möglich, zum Beispiel im *Wassersport*. Das Einfache am Sport ist nämlich: man kann ihn nahezu überall ausüben.

Nicht überzeugend genug?

Spaß, Freude, Leichtigkeit, Stolz, Euphorie. Zusammenhalt & Dazugehörigkeitsgefühl. Konzentration, Ausdauer, Selbstsicherheit. Organisationstalent, Pünktlichkeit, Verantwortung, Anerkennung. Erfahrungen & Herausforderungen. Disziplin, Kampfgeist.  Kontakte mit Anderen, Körperkontakt, Toleranz, Respekt. Körpergefühl. Gesundheit, Lebensfreude, Selbstakzeptanz. Mentale Stärke & Ausgleich. Teilnahme an Projekten, einem Team, Wettkampf, Teil eines Vereins, einer Repräsentation, eines großen Ganzen zu sein.

Schön und gut, aber warum das Alles?

Gerade *mit Hinblick auf die Zukunft* wird deutlich, dass sich gerade junge Leute und Mädchen/ Frauen vielen Stresssituationen aussetzen müssen, sich durchsetzen und behaupten müssen, vor allem aber lernen sollten, loszulassen. Sport wird immer ein gutes Ventil für Probleme und Hindernisse dieser Art bleiben. Und in fast jedem Studium, jedem Beruf, jeder Ausbildung und jedem Job stehen, nebst ihrer Verwendung im sozialen alltäglichen Leben, sogenannte „soft skills“ ganz oben auf der Liste der zu erlernenden Fähigkeiten. Ganz ehrlich, statt Kurse und Vorträge zu besuchen oder Bücher zu studieren, kann man Eigenpräsenz und alle diese wertvollen Angewohnheiten einfach und simpel und mit wenig Geld lernen. Beim Sport. Und keine Panik: niemand erwartet von euch, mit sportlichen Herkulesfähigkeiten in die Halle oder ins Studio oder auf den Sportplatz zu schreiten und alle umzuhauen. Das kommt dann später vielleicht. Wenn ihr wollt. Im metaphorischen Sinne.

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Autorin / Autor: genna - Stand: 16. Juli 2013