Selfies im Paradies

Wie Naturschutzgebiete durch Ökotourist*innen leiden, die nur an schönen Posts in den Sozialen Netzwerken interessiert sind

Eigentlich will sich Ökotourismus ja durch besondere Reiseerlebnisse vom Massenmarkt abheben. Er verspricht, das Reisen naturverträglich und nachhaltig zu gestalten und mit Bildung zu verbinden. Nicht selten lernt man gefährdete oder bedrohte Arten kennen und soll darin bestärkt werden, sozial verantwortliche Entscheidungen zu treffen.

Doch wer sich die Millionen Instagram-Selfies vor Wasserfällen, einsamen Gipfelkreuzen oder atmenberaubenden Urwald-Szenen anschaut, ahnt, dass es mit der altruistischen Anziehungskraft des Ökotourismus nicht weit her ist und etwas ganz anderes wichtig ist: nämlich ein abgefahrenes Foto für den eigenen Account auf Instragm und Co. zu schießen. Eine neue Studie von Forscher_innen der University of Georgia hat das Phänomen mal unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: leider sind es nicht nur Umweltwerte sind, die die Menschen zum Ökotourismus bringen, sondern dass sie diese Reiseform wählen, "damit sie gute Fotos bekommen, die sie online stellen und ihren Freunden und Lieben präsentieren können", so der Hauptautor der Studie, Justin Beall.

*Sozialer Status wichtiger als Nachhaltigkeit*
Wer ein ökotouristisches Reiseziel besucht und Fotos und Beschreibungen in sozialen Medien teilt, vermittelt damit, dass er/sie sich um Nachhaltigkeit, regionale Gemeinschaft und Bildung bemüht - dies alles sind Bestandteile des Ökotourismus. Aber, so Beall, die im Rahmen der Studie befragten Reisenden zeigten, dass ihnen das Aussehen der Fotos möglicherweise noch wichtiger ist als ihre eigenen Umweltwerte.

"Die Menschen neigen dazu, etwas zu tun, das ihren Status aufwertet - ich glaube, wir alle tun das irgendwie. Diese Idee ist nicht neu", erklärt Co-Autor Boley. "Früher war es ein Porsche oder eine Armbanduhr oder Schmuck, aber jetzt ist es etwas subtiler und wird durch Reiseerlebnisse kanalisiert. Die große Frage lautet also: Wählen die Menschen den Ökotourismus, weil sie starke ökologische Werte haben, oder ist es eine neue Art, vor Gleichaltrigen zu zeigen, dass man cool ist?"

Während frühere Untersuchungen noch gezeigt haben, dass Ökotourist_innen aus ökologischen und sozialen Wertvorstellungen heraus gehandelt haben und in ihren Reisezielen vor allem Entspannung oder Flucht vor dem Alltags suchten, scheinen im Zeitalter von Smartphones und sozialen Medien die Klicks in den Vordergrund zu treten. Boley hat dies in neueren Studien unterstrichen, die zeigen, wie soziale Medien die Art und Weise verändern, wie wir Reisen sehen und erleben. Nach den Ergebnisse dieser jüngsten Studie scheint es so, dass der Einfluss der sozialen Medien auch den Ökotourismus erreicht hat.

*Überlaufene Geheimtipps*
Überall auf der Welt kann man beobachten, dass abgelegene, naturbelassene Reiseziele auf dem Vormarsch sind - vor dem Hintergrund der durch Covid 19 erschütterten Tourismusbranche könnte das noch eine Nische sein, die dieser Industrie aus der Patsche hilft. Wäre da nicht das Problem der Überfüllung. Denn zu viele Tourist_innen können auch eine schlechte Sache sein - besonders, wenn sie sensible Naturgebiete besuchen. Bei ökotouristischen Reisezielen verschärft sich das Problem noch, weil dort typischerweise ein kleineres Team ein großes, sensibles Gebiet verwaltet. So können Mitarbeiter_innen oft nicht verhindern, dass Besucher_innen für ihre Fotos die festgelegten Pfade verlassen und durch Naturschutzgebiete trampeln.
Jahrelang galten Ökotourist_innen als höchst begehrt. Sie haben Geld, sind umweltbewusst und sorgen sich um die Auswirkungen auf ihr Reiseziel. Aber vielleicht stimmt das nicht mehr. Je mehr Menschen solche Reiseziele besuchen, denen die Umweltauswirkungen egal sind, könnte das die Nachhaltigkeit des Reiseziels gefährden, so Beall.

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