Schlechte Antennen für Aggression?

Menschen fällt es überraschend schwer, Aggressionen bei Hunden und anderen Menschen zu erkennen

Ist der Hund gut drauf? Will er nur spielen? Oder ist vielleicht aggressiv und kurz davor zuzuschnappen? Menschen haben aber offenbar schlechtere Antennen für die Aggressionen von Hunden, als man meinen sollte. Schließlich ist das Erkennen, ob andere Tiere oder Menschen uns Böses wollen oder freundlich sind, für das Überleben des Menschen schon immer elementar gewesen. Forscher_innen am Max Planck Institut für Geoanthropologie haben nur in einer aktuellen Studie gezeigt, dass Menschen zwar überdurchschnittlich gut in der Lage sind, Interaktionen zwischen Menschen, Hunden und Affen einzuschätzen. Allerdings haben sie Schwierigkeiten, aggressives Verhalten sowohl bei Hunden als auch bei Menschen vorherzusagen.

Aggression offenbar besonders schwierig vorherzusagen

In der Studie ermittelte das Forschungsteam anhand von Videos, wie gut Menschen soziale Interaktionen beurteilen können. Die Forschenden zeigten 92 Testpersonen 27 Videoclips über jeweils eine non-verbale Interaktion zwischen zwei Kindern, zwei Hunden sowie zwei Makaken (eine Affenart). Die Teilnehmenden wurden in zwei Gruppen eingeteilt, wobei eine Gruppe die Interaktionen als spielerisch, neutral oder aggressiv einstufen sollte und die andere Gruppe das Ergebnis jeder Interaktion vorhersagen sollte.

Von der ersten Gruppe wurden die meisten Interaktionen richtig kategorisiert: Die Beteiligten sagten bei 50 bis 80 Prozent der Interaktionen das Ergebnis richtig voraus – und lagen damit über Zufallsniveau. Die Trefferquote hing allerdings auch von der Tierart und dem sozialen Kontext der Interaktion ab. Interessanterweise und im Gegensatz zu den Hypothesen der Forschungsgruppe konnten die Teilnehmenden menschliche Interaktionen nicht besser beurteilen als die anderer Arten. Darüber hinaus schnitten sie besonders schlecht bei aggressiven Interaktionen von Hunden und Menschen ab.

Aggressionen frühzeitig erkennen zu können, kann jedoch helfen, Verletzungen zu vermeiden oder im Ernstfall sogar über Leben und Tod entscheiden. Das Forschungsteam hatte deshalb erwartet, dass die Testpersonen in diesem Bereich die besten Ergebnisse erzielen würden. Allerdings zeigt die aktuelle Studie, dass diese Bewertungen für Menschen schwieriger sind, als angenommen.

Voreingenommen gegenüber 'dem besten Freund des Menschen'?

„Möglicherweise sind wir voreingenommen und gehen von den guten Absichten anderer Menschen und dem ‚besten Freund des Menschen‘ aus”, sagt Theresa Epperlein, Erstautorin der neuen Studie. „Vielleicht hindert uns diese Voreingenommenheit daran, aggressive Situationen bei diesen Arten zu erkennen.“ Juliane Bräuer, Leiterin der Hundestudien am Max-Planck-Institut für Geonathropologie fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass soziale Interaktionen oft ambivalent sein können. Sie weisen darauf hin, dass das Vorhersagen sozialer Interaktionen wichtiger sein könnte als die Einteilung der Situation in spielerisch, neutral oder aggressiv.“

Während die aktuelle Studie zeigt, wie gut Menschen soziale Situationen interpretieren, ergeben sich daraus neue Fragen. Wie kommt es zu unseren Einschätzungen? Und lassen sich diese durch Training verbessern? Um solche Fragen zu beantworten, werden jedoch noch weitere Studien benötigt. So müsste erforscht werden, auf welche Hinweise sich Menschen während der Beobachtung von Interaktionen verlassen, zum Beispiel Vokalisierungen, Gesichtsausdrücke oder Körpersprache und wie unterschiedliche Arten diese einsetzen.


An der Studie waren Forschende des Max-Planck-Institut für Geoanthropologie, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und der Universitäten Leipzig und Jena beteiligt.
Die Studie wurde im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion - Stand: 13. Dezember 2022