Rund? Offen? Wellig?

Spielen für die Forschung! Helft Wissenschaftler_innen dabei, einheitliche Kriterien für Buchstabenformen zu finden.

Spielend die Buchstaben der Nabatäischen Schrift sortieren: eine Bildschirmaufnahme aus der Anwendung; Bild: Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, PSL SCRIPTA

Wie haben sich Buchstaben entwickelt? Und wie schaffen wir Menschen es eigentlich, uns deren Form einzuprägen? Wie würden wir die Form von Buchstaben beschreiben, die wir nicht kennen und verstehen andere unsere Beschreibung auch? Diesen Fragen geht ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte, der Harvard Universitiy und der Université Paris Sciences et Lettres nach. Um die Entwicklung von Schriftsystemen besser zu verstehen, haben sie ein Online-Spiel entwickelt, das hilft, historische und aktuelle Schriftsysteme miteinander zu vergleichen und übereinstimmende Formen zu identifizieren.

In dem Spiel namens Glyph könnt ihr die Wissenschaftler_innen dabei unterstützen, Anwtorten zu finden. Daneben ist das Spiel sehr lehrreich, unterhaltsam und fast ein bisschen suchterzeugend. Insgesamt 45 Schriftsprachen sind im Onlinespiel „Glyph“ enthalten. Spielende treten dort gegeneinander an, indem sie Buchstabenformen dieser Schriftsysteme in selbst erstellte Kategorien einordnen und dabei Punkte gewinnen. Ihr müsst also unter den unbekannten Buchstaben Gruppen bilden und für diese eine Regel erschaffen (z.B. "Hat unten eine Rundung"). Drei Minuten später könnt ihr eure eigene Regel "spielen". Die Buchstaben werden dann in veränderter Reihenfolge gezeigt und ihr müsst beweisen, dass ihr anhand eurer Regel die vorher ausgewählten Buchstaben wiedererkennt. Funktioniert eure Regel, bekommt ihr Punkte, ist sie noch dazu einzigartig, also hat niemand sie vorher genannt, bekommt ihr die doppelte Punktzahl. Als Belohnung für viele Punkte werden neue Sprachsysteme freigeschaltet.

Mit dem Spiel wollen die Forschenden eine Lücke schließen, erklärt Yoolim Kim: „Die Wissenschaft ist gut darin, Dinge zu klassifizieren - Chemiker haben das Periodensystem, Biologen das System der Arten - es gibt sogar Regeln, um Pokémon zu sortieren! Aber für Buchstaben gibt es so etwas nicht - für manche Schriften schon, aber nicht für alle Buchstaben der Welt.“

Im Forschungsfeld der visuellen Psychologie, das untersucht, wie Dinge, die wir sehen, unser Denken beeinflussen, fehlt derzeit ein Vokabular zur Beschreibung von Buchstabenformen. Bisher wurden Buchstaben hauptsächlich aus der Sicht der Linguistik erforscht, und nur vereinzelte Studien haben ihre Formen und optischen Eigenschaften mit großen Datensätzen untersucht, die die Vielfalt der weltweiten Schriftarten widerspiegeln. Das Forschungsteam hofft, dass die „Glyph“-Anwendung zur Entstehung eines einheitlichen Standards führt, der die Untersuchungen der Schriftsysteme durch Linguisten und Kognitionswissenschaftler vereinen kann.

Die Hauptfrage, die anhand der gewonnenen Daten beantwortet werden soll, betrifft die Unterscheidbarkeit der Buchstaben: Wie können die Buchstaben eines Schriftsystems sowohl unterschiedlich genug als auch einfach zu verarbeiten sein?

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Autorin / Autor: Redaktion; Pressemitteilung Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte - Stand: 23. Februar 2022