Routine lässt Gedanken wandern

Forschung: Freier "Arbeitsspeicher" wird für Alltagsplanung verwendet

Wenn ihr diesen Artikel lest, haben sich ein Teil eurer Gedanken wahrscheinlich längst auf Wanderschaft gemacht. Was esse ich gleich zum Mittag? Soll ich mich mit Lucy verabreden oder lieber mal was mit Anton unternehmen? Was hatten wir noch mal in Deutsch auf? Nicht anders wird es euch ergehen, wenn ihr etwas von der Tafel abschreibt, einem Referat lauscht oder Aufgaben bearbeitet, die nicht eure volle Aufmerksamkeit fordern.

Das Arbeitsgedächtnis (oder Kurzzeitgedächtnis) ist ein Speicher, der Informationen zum schnellen Abrufen bereithält. Es sorgt dafür, dass wir kurzzeitig Dinge merken können, die für den Moment wichtig sind - so ist es beispielsweise dafür zuständig, dass wir uns noch an den Anfang eines Satzes erinnern können, wenn wir an seinem Ende angekommen sind. Anders als das Langzeitgedächtnis hat das Arbeits- oder Kurzzeitgedächtnis allerdings eine begrenzte Kapazität.
Forscher der Universität Wisconsin und dem Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben herausgefunden, dass diese Kapazität offenbar gerne ausgeschöpft wird und zwar von Gedankenwanderungen. Nimmt eine Aufgabe nicht euer ganzes Arbeitsgedächtnis in Anspruch, werden die verbliebenen Ressourcen für die Lösung alltäglicher Fragestellungen verwendet.

In ihren Versuchen konnten die Forscher den Zusammenhang zwischen abschweifenden Gedanken und dem Arbeitsgedächtnis gut beobachten. Sie gaben Versuchspersonen mehr oder weniger stupide Aufgaben. Sie sollten etwa im Takt ihres Atems klopfen oder aber einen Knopf drücken, wenn bestinmmte Buchstaben auf einem Bildschirm auftauchten. Dabei wurden sie regelmäßig befragt, ob sie mit ihren Gedanken umherwanderten.
Am Ende des Versuchs wurde die Größe ihres Arbeitsgedächtnisses ermittelt, indem geprüft wurde, an welche der gezeigten Buchstaben sie sich noch erinnern konnten. Dabei zeigte sich, dass die mit einem großen Arbeitsspeicher auch besonders häufig mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen waren. Trotdem hatten sie die Aufgaben einwandfrei bearbeitet.

Die Forscher warnen allerdings, dass dieses Zusammenspiel nicht immer so toll funktioniert. Denn die Gedankenwanderei verbraucht durchaus Ressourcen, die zwar nicht immer, aber manchmal eben doch mehr gebraucht werden als man meint. Der Mensch sei dem aber glücklicherweise nicht hilflos ausgeliefert und könne durchaus bestimmen, wofür er seine Kapazitäten verwenden möchte.

Wenn ihr also beim Lesen eines Textes nur noch Bahnhof versteht und euch kaum noch erinnern könnt, was ihr da gerade gelesen habt, dann nehmt einfach mal eure Gedanken an die kurze Leine und gebt die Ressourcen eures Arbeitsspeichers frei. Der weitere Tagesverlauf kann getrost auch danach noch geplant werden ;-) - zum Beispiel beim Gemüseschnippeln ;-). 

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 23. März 2012