Riesenspinnen - und es gibt sie doch

Studie: Spinnenphobie führt zu veränderter Wahrnehmung

Bild: LizzyNet

"Ich geh nicht mehr ins Bad - da sitzt ne Spinne, und die ist mindestens so groß wie ein Fußball". Wer aus Angst vor Spinnen solche Sätze von sich gibt, übertreibt zwar für Außenstehende melodramatisch, in gewisser Weise sagt die Person aber auch die Wahrheit - auch wenn es nur ihre eigene ist. Wie eine Studie jetzt herausfand, nehmen nämlich Menschen mit Spinnenangst ihre Umgebung tatsächlich anders wahr als gesunde Menschen.

*Gehirn filtert Gefahrenmomente*
Von den Millionen von Sinnesreizen, die sekündlich auf uns einströmen, nehmen wir nur einen Bruchteil bewusst wahr. Unser Gehirn konzentriert sich dabei vor allem auf jene Reize, die Gefahr signalisieren, damit wir in Gefahrensituationen blitzschnell reagieren können. Bei Menschen mit Phobien, sei es mit einer Angst vor engen Räumen, vor dem Autofahren oder vor Tieren, ist dieser Mechanismus besonders wirksam. Deshalb reagieren sie heftiger auf angstrelevante Reize als Menschen ohne diese Ängste. So kommt es, dass für Personen mit Spinnenphobie häufig die Tiere größer, beeindruckender und bedrohlicher aussehen, als sie es wirklich sind. Und das völlig ohne Einbildung, wie Forscher des Otto-Selz-Instituts für Angewandte Psychologie der Universität Mannheim jetzt gezeigt haben.

„Wir können mit unserer Studie belegen, dass phobierelevante Reize die visuelle Verarbeitung im Gehirn steuern. Es handelt sich bei den Angaben der Patienten also weder um Übertreibung noch um Einbildung“, erklärt Professor Dr. Georg W. Alpers, Inhaber des Lehrstuhls für Klinische und Biologische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Mannheim. „Alles deutet darauf hin, dass individuelle Unterschiede zwischen Menschen - in unserem Experiment waren es zwei Personengruppen - beeinflussen, wie sie ihre Umwelt wahrnehmen.“

*PhobikerInnen nehmen Spinnen früher und länger wahr*
In ihrer Studie haben die Mannheimer PsychologInnen jeweils zwanzig SpinnenphobikerInnen mit nichtängstlichen KontrollprobandInnen verglichen. Mittels eines Stereoskops wurden ihnen dabei jeweils auf das linke und das rechte Auge zwei unterschiedliche Bilder projiziert (eine Spinne und eine Blume gepaart mit dem neutralen Bild einer geometrischen Form). „Es ist nicht möglich, dauerhaft zwei verschiedene Bilder gleichzeitig wahrzunehmen. Sie stehen in einem Wettstreit, den das Gehirn zu Gunsten eines Bildes entscheidet – ohne, dass wir darauf bewusst Einfluss nehmen können“, erklärt Professor Alpers. Während ein Bild zeitweise dominiert, wird das andere unterdrückt und nicht gesehen.

Das Experiment zeigte tatsächlich, dass die ängstlichen Memschen das Bild der Spinne früher, länger und damit dominanter wahrgenommen hatten als die gesunden Testpersonen. Die PhobikerInnen sahen doppelt so häufig zuerst  das Spinnenbild wie die Nichtängstlichen. Und sie sahen sie es im Schnitt um die Hälfte länger. Bei der Variante mit dem Blumenbild gab es bei ängstlichen und nichtängstlichen Probanden hingegen keine signifikanten Unterschiede in der Wahrnehmung.

Für die Mannheimer WissenschaftlerInnen liegt der Grund dafür in der emotionalen Bedeutung, die die Spinnen für die PatientInnen haben. „An der Instanz im Gehirn, wo entschieden wird, welches Bild Einzug in die bewusste Wahrnehmung erhält, spielen Emotionen wie Angst offenbar eine große Rolle“, erklärt Dr. Gerdes. „Das Spinnenbild gewinnt bei Menschen mit Phobie dadurch früher und häufiger den Wahrnehmungswettstreit gegen das neutrale Bild.“

Laut den ForscherInnen ist dies die erste Studie, die belegt, dass unterschiedliche Patientengruppen relevante Merkmale der Welt unterschiedlich sehen. „Alle Probanden bekommen dieselben Bilder auf die Netzhaut projiziert. Je nachdem, welche Bedeutung sie für den Probanden haben, werden sie im Wahrnehmungsapparat jedoch unterschiedlich verarbeitet. Eine phänomenale Leistung des Gehirns“, sagt Professor Alpers. Dieser Befund sei auch für die therapeutische Praxis von großer Bedeutung, fügt Dr. Gerdes hinzu: „Unsere Ergebnisse können Therapeuten dabei helfen, ein größeres Verständnis für diese Krankheit aufzubringen. Die Patienten übertreiben nicht, wenn sie davon berichten, wie bedrohlich sie Spinnen wahrnehmen. Wir haben in unserer Studie gezeigt: Wenn ein Mensch sich vor etwas fürchtet, hinterlässt das bei ihm eine andere Wahrnehmung.“

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung; - Stand: 3. Januar 2014