Wie grün sind Ocean Plastic & Co?

Was recycelte Kunstfasern bringen

Hosen aus Altreifen, T-Shirts aus PET-Flaschen, Mützen aus Fischereinetzen. Immer mehr Bekleidungsfirmen setzen auf Recyclingfasern aus Kunststoffen. Eine mittlerweile häufig eingesetzte Recyclingfaser ist beispielsweise ECONYL®, ein Garn aus recyceltem Nylon, das den Herstellerangaben zufolge zu 100% aus recyceltem Nylon besteht. Es wird mittlerweile auch von zahlreichen nachhaltigen Modeherstellern verwendet.

Auch die ganz großen Marken werben mit recycelten Materialien. Sie erwecken sogar den Eindruck, dass ihre Produkte helfen, Meere und Umwelt von Plastikmüll zu befreien. Adidas etwa will nichts weniger als "die Ozeane retten" - mit Sport-Produkten, in denen "die unrecycelte Plastikkomponente" durch Parley Ocean Plastic® ersetzt wird - ein Polyester-Garn aus "aufbereitetem Plastikmüll, der auf abgelegenen Inseln, an Stränden und in Küstenregionen gesammelt wird".

Der Satz, mit dem die Produkte auf der adidas-Seite beworben werden, verrät es schon. Hier wird kein Plastik aus dem Ozean gefischt. Und es ist auch nur ein Teil. Tatsächlich ist es nämlich unwahrscheinlich aufwändig, Kunststoffabfälle aus dem Meer zu fischen, zu säubern, zu zerkleinern und dann in einem aufwändigen chemischen Prozess wieder in einen einsetzbaren Rohstoff zu verwandeln. So sind beispielsweise Netze, die aus dem Meer gefischt werden, nicht sortenrein - eine Grundvoraussetzung für wirtschaftlich sinnvolles Recycling. Sie haben stattdessen ganz unterschiedliche Qualität, sind mit Steinen, Algen und Muscheln behaftet  - alles Faktoren, die Recycling teuer und kompliziert machen.

Darum bestehen Produkte, die als "Ocean Plastic" deklariert werden, nicht zu 100% aus Müll, der aus dem Meer gesammelt wurde. Es gibt hier keine geschützte Bezeichnung, kein Siegel mit Vorgaben und Nachweispflicht zur Herkunft des verwendeten Materials. In der Regel werden darum einfach andere Kunststoffe hinzugefügt - von Sammlungen an Land, von Resten, die bei der Produktion anderer Kunststoffprodukte anfallen oder etwa aus PET-Flaschen, die sortenrein sind und darum gut verarbeitet werden können.

Wirklich sinnvoll ist vor allem die Verwendung von PET-Flaschen nicht, meinen Kritiker_innen, denn wenn PET-Flaschen zu Kleidung umfunktioniert werden, werden keine neuen PET-Flaschen daraus, die im Kreislauf dann fehlen und neu produziert werden müssen. Einmal in Kleidung verwandelte PET-Flaschen landen nämlich nicht mehr im Kreislauf, sondern im Müll, denn derzeit können Textilien selbst nur zu verschwindend geringen Teilen recycelt werden. Denn die meisten Kleidungsstücke sind Mischgewebe, die erst in komplizierten Prozessen auseinandergedröselt werden müssen, um recycelfähig zu werden.

Recycling dieser Art ist darum ein zweischneidiges Schwert. Die Herkunft des verwendeten Materials ist nicht immer transparent und die Ökobilanz solcher Recyclingfasern ist noch nicht ausreichend erforscht. Denn die Produktion erfolgt oft unter einem hohen Energieeinsatz und es werden dabei Chemikalien eingesetzt, die je nachdem hochgiftig, zumindest aber in ihrer Umweltverträglichkeit fragwürdig sind. Letztlich wird alter Kunststoff dabei nicht selten mit neuem Kunststoff gemischt, um daraus wieder neue (minderwertige, nicht abbaubare) Kunststoff-Textilien zu machen. Auch Kleidungsstücke aus recyceltem Kunststoff geben beim Waschen Mikroplastik ab. Das Endprodukt ist also keineswegs "grün". Umweltschützer_innen fordern darum, dass der Fokus von Recycling mehr auf ein "Faser-zu-Faser" Recycling verlegt wird. Statt aus Flaschen T-Shirts zu machen und aus T-Shirts Putzlappen, sollten Kleidungsstücke wieder zu Kleidungsstücken werden.

Trotzdem - natürlich ist ein Kleidungsstück, das zumindest teilweise aus recycelten Kunsstoffen besteht, besser als ein Kleidungsstück, das aus neuen Kunstfasern besteht. Es ist sozusagen das kleinere Übel. Aber trotzdem ganz sicher kein "Gefallen" für die Umwelt.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 15. Januar 2022