Positiver unter Druck

Studie: Stress hilft bei Entscheidungen

Menschen, die in letzter Minute ihre Prüfungsarbeit schreiben, ernten oft mitleidiges Kopfschütteln nach dem Motto "Wie kann man sich nur diesem Stress aussetzen, dabei kann doch nichts Gutes rauskommen". Doch Stress muss nicht immer nur negativ sein. Wie eine neue Studie der University of Southern California zeigt, führt Stress auch dazu, dass man oft die bessere Entscheidung trifft, weil er uns hilft, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Hervorgerufen wird dieser Effekt offenbar dadurch, dass wir uns unter Stress eher auf das Positive ausrichten und Negatives ausblenden. Belege dafür fanden die ForscherInnen in Experimenten, bei denen sie ihre ProbandInnen beispielsweise anwiesen, für ein paar Minuten ihre Hand in Eiswasser zu halten oder eine Rede zu halten. Die Effekte waren gleich: Unter stressigen Bedingungen schenkten die Versuchspersonen positiven Informationen mehr Aufmerksamkeit und negative Informationen wurden eher ignoriert. "Stress ist meist mit negativen Erfahrungen verbunden, so dass man denkt, vielleicht konzentriert man sich eher auf die negativen Ergebnisse. Doch Stress scheint Menschen dabei zu helfen, aus positiven Rückmeldungen zu lernen und negatives Feedback auszuschalten", sagt Mara Mather, die zusammen mit Nichole R. Lighthall die Studie verfasst hat.

Diese Erkenntnis erklärt laut den ForscherInnen auch, warum Stress bei Suchterkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Menschen, die gestresst sind, haben weniger Kontrolle über ihre Bedürfnisse. "Der Zwang, diese Belohnung (durch die Droge) zu bekommen wird stärker, und sie sind weniger in der Lage, ihr zu widerstehen", sagt Mather. So denke eine Person, die unter Stress ist, nur an die guten Gefühle, die sie von der Droge erwarte, während die Schattenseiten des Drogenkonsums in weite Ferne rückten.

*Männer fliehen oder kämpfen, Frauen knüpfen Bindungen*
Stress scheint auch einen unterschiedlichen Effekt bei Männern und Frauen auszulösen, wenn es um die Risikobereitschaft geht. Wenn Männer unter Stress stünden, seien sie eher bereit, Risiken einzugehen, wenn Frauen gestresst seien, würden sie eher vorsichtig, so die Wissenschaftlerinnen. Mather sieht diese Beobachtung auch in anderen Forschungsarbeiten bestätigt, die bei Männern in schwierigen Zeiten Kampf-oder Flucht-Reaktionen feststellten und bei Frauen beobachtet hatten, dass sie sich unter Druck mehr um die Beziehungen kümmerten.

Wie dem auch sei, ein Leben ganz ohne Stress ist offenbar nicht so sorgenfrei, wie wir immer denken. Wenn Stress uns hilft, eher das Positive zu sehen, sollten wir uns vor wichtigen Entscheidungen nicht unbedingt ausruhen, sondern keine Angst davor haben, uns ein bisschen unter Druck setzen zu lassen ;-).

Der Artikel wurde in "Current Directions in Psychological Science", einer Zeitschrift der Association for Psychological Science veröffentlicht.

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 1. März 2012