Muster für mehr Übersicht

Studie: Um uns das Beziehungsgeflecht in unserem Umfeld merken zu können, wenden wir vereinfachte Schemata an

Menschliche Sozialgefüge sind ganz schön kompliziert. Da gibt es Verwandte, Bekannte, Freunde und Partner und nicht selten sind sie auf die unterschiedlichste Weise miteinander verstrickt. Mein bester Freund ist vielleicht ein Neffe einer Arbeitskollegin meiner Mutter, die wiederum einen Partner hat, den ich nicht ausstehen kann, der sich aber regelmäßig mit meinem Vater zum Skat trifft. Oder meine beste Freundin hat eine Cousine, deren beste Freundin wiederum einen extrem süßen Nachbarn hat. Und da soll noch jemand durchblicken. Zum Glück sind wir aber ja in der Lage, selbst bei umfangreichen Netzwerken noch den Überblick zu behalten. Doch wie schaffen wir das? Naja, wir mogeln ein bisschen – sagt zumindest der amerikanische Soziologe Matthew Beshears.

*Vereinfachtes Netz*
Beshears zufolge merken wir uns nicht einfach das Beziehungsgeflecht, sondern ordnen es in feste Schemata, die uns bekannten Strukturen folgen. Beispielsweise weiß ja jeder, dass, wenn meine Mutter einen Bruder hat, dieser mein Onkel ist. Ich muss mir also nicht merken „A ist die Mutter von B. C ist der Bruder von A. C ist der Onkel von B.“ Sondern es reichen zwei der drei Informationen (z.B. quasi „Mutter + ihr Bruder = Onkel“ oder „Mutter + Onkel = Bruder der Mutter“). Ganz automatisch folgen wir also Mustern (wenn a, dann b…), um die Masse an Beziehungen zu „komprimieren“ und so weniger Gehirnkapazität aufwenden zu müssen.
„Wir Menschen sind in der Lage, mit umfangreichen, ausgedehnten, komplizierten sozialen Netzwerken umzugehen, weil wir uns nicht umfangreiche, ausgedehnte, komplizierte soziale Netzwerke merken. Wir merken uns vereinfachte, geordnete Strukturen, die in etwa dem Netzwerk entsprechen,“ so der Forscher. Passen einzelne Beziehungen nicht in das Muster, merken wir uns das Muster plus diese wenigen Ausnahmen, statt uns jede Verbindung einzeln einzuprägen.

*Verwandt + „dreieckig“ = leicht zu merken*
An seiner Studie nahmen 301 Studenten teil. Sie sollten kurze Texte lesen, in denen verschiedene Beziehungen zwischen Personen beschrieben wurden, und sich diese merken. Dazu wurde ihnen gesagt, die Höhe der Aufwandsentschädigung, die sie bekämen, hinge davon ab, wie gut sie sich an den Textinhalt erinnern könnten. (In Wirklichkeit bekamen alle gleich viel Geld, aber sie sollten ja motiviert sein, sich die Texte möglichst gut einzuprägen. ;-) ) Es gab vier verschiedene Texte, in denen es jeweils um ein Netzwerk aus 15 Personen ging, die sich aber in der Art der beschriebenen Beziehungen unterschieden: Entweder waren feste „Dreiecksbeziehungen“ (A ist mit B und C befreundet, B auch mit C) vorhanden oder nicht und entweder wurden Verwandtschaftsbeziehungen beschrieben oder nicht. Die Teilnehmer wurden in vier Gruppen unterteilt, die jeweils einen der Texte bekamen.
Sowohl bei „Dreiecken“ als auch bei Verwandtschaftsbeziehungen kann man Rückschlüsse ziehen, auch wenn man nicht über alle Personen Informationen hat; daher nahm Beshears an, dass die Probanden sich diese Beziehungen besonders gut merken würden. Und tatsächlich: Enthielt der Text sowohl Verwandtschaften als auch “Dreiecke”, konnten die Probanden sich durchschnittlich um ca. 50% besser an die Beziehungen erinnern als diejenigen, in deren Text beides nicht vorkam – ein erheblicher Unterschied.

Offenbar haben wir Menschen wirklich die Fähigkeit entwickelt, im sozialen Leben Muster zu erkennen und zu nutzen. So können wir mehr Informationen speichern, also auch komplexe Netzwerke um uns aufbauen, ohne überlastet zu sein. Wenn wir z.B. den Bruder und den Mann einer Kollegin kennenlernen, geht unser Gehirn quasi automatisch davon aus, dass die beiden sich auch kennen.

Breshears vermutet sogar, dass sich dieses Verhalten auf unsere Evolution ausgewirkt haben könnte: Wenn manche Formen sozialer Netzwerke leichter zu merken sind als andere, waren Menschen, die sich an diese Regeln hielten, evolutiv erfolgreicher. „Einer der Gründe, warum menschliche Netzwerke so aussehen, wie sie aussehen, ist, dass sie es müssen – damit wir geistig damit umgehen können“, meint er.

Möglicherweise bist du also nicht nur deshalb mit der Schwester deiner besten Freundin befreundet, weil sie so nett ist, sondern auch, weil dein Gehirn es so möchte… ;-) 

Die Studie im Internet:

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 28. März 2013