Die Dame steht außer Konkurrenz

Interview mit Lili über Lieblingsfiguren und Vorurteile gegen schachspielende Frauen und Mädchen

Bild: LizzyNet

Lili hat schon als kleines Mädchen zu Hause gegen ihre Eltern und Brüder "mit mäßigem Erfolg", wie sie sagt, Schach gespielt und kannte die Regeln dementsprechend sehr früh. Dann hat sie in der dritten Klasse, also vor etwa 8 Jahren beschlossen, in den Verein zu gehen, wo sie bis heute spielt.

*Wie bist du auf die Idee gekommen, in einem Verein zu gehen?*
Ich wurde von einem Freund zu einem „Schnupper-“ treffen mitgenommen. Da mir die Atmosphäre ganz gut gefiel habe ich mich dann angemeldet.

*Spielst du auch bei Turnieren? Wie ist das so?*
Ja, ich spiele häufiger Turniere. Dabei kommt mir auch zu gute, dass es nicht sehr viel weibliche Konkurrenz gibt, sodass ich schon das ein oder andere Mal einen Mädchenpreis abstauben konnte. Das wichtigste Turnier ist die jährlich stattfindende Europameisterschaft. Dazu muss man sich in mehreren Stufen qualifizieren, letztes Jahr bin ich bis nach NRW gekommen! Auch dieses Jahr werde ich mindestens bis nach Mittelrhein fahren.
Es gibt natürlich auch Schnellschach- oder Blitzturniere, an denen ich allerdings nur noch eher selten teilnehme, weil das Niveau nicht sehr hoch ist, und es meistens mit 7 oder 9 Runden einen ganzen Tag dauert. Das Interessante daran ist meistens eher, dass man Leute sieht, welche man sonst nur selten treffen kann.

*Was ist für dich das Faszinierende am Schachspiel?*
Beim Schach geht es hauptsächlich um Konzentration und darum, seinen Gegner richtig einzuschätzen – wobei es natürlich besser ist, ihn zu überschätzen, statt zu unterschätzen! Man misst sich oft mit den gleichen Gegnern in seiner Altersklasse und hat so die Gelegenheit, eine verlorene Partie wieder rächen zu können. Für mich ist Schach so wichtig geworden, weil ich im Verein, aber auch bei diversen Turnieren viele interessante Leute kennengelernt habe und dort auch einige meiner besten Freunde gefunden habe.
Es nervt allerdings auch oft, dass eine Partie sehr lange dauern kann – jedenfalls, wenn es eine wichtige Turnierpartie ist – und andererseits, dass zumindestens meine Spielstärke sehr schwanken kann. Oft hängt alles davon ab, einen guten Tag zu erwischen.

*Welches ist deine Lieblingsfigur?*
Ich habe keine wirkliche Lieblingsfigur, da es immer auf die Stellung ankommt, welche gerade besser ist. Außerdem steht die Dame außer Konkurrenz ;) Allerdings habe ich seit einem gewissen Spiel letzten Sommer eine gewisse Abneigung gegen zwei gegnerische Springer ;)

*Welches Schachspiel in deiner bisherigen „Laufbahn“ wirst du vermutlich nie vergessen?*
Ehrlich gesagt merke ich mir nur selten Partien, die länger zurückliegen und das sind meistens die, in denen ich abgrundtief schlecht oder ziemlich gut gespielt habe. Zu der ersten Kategorie gehört die bereits oben erwähnte Partie, in der ich mit einer Mehrdame ein simples Matt mit zwei Springern übersehen habe. Aber vor kurzem habe ich auch eine ziemlich schöne Partie gespielt, welche 5 Stunden dauerte, ich lange Vorteil hatte, ihn leider nicht umsetzen konnte und schließlich in einem spannenden Turmendspiel das Remis halten konnte. Dadurch habe ich den Sieg für unsere Mannschaft geholt!
Meine bisher längste Partie, dauerte sogar 5,5 Stunden und ich konnte sie auch gewinnen. Diese werde ich bestimmt auch nie vergessen!

*Spielst du  auch gegen einen Computer Schach?*
Ich habe früher manchmal gegen Computer gespielt, aber das ist mir zu unpersönlich und ein wenig langweilig, da man meist ohnehin keine Chance hat. Ich spiele eindeutig lieber gegen Menschen.

*Ticken Schachspieler/innen „anders“ als „Nichtschachspieler/innen“. Also denken sie zum Beispiel logischer oder strategischer? Haben sie „besondere“ psychische Eigenarten (Eigenbrödler)? Oder sind das nur Legenden und Vorurteile?*
Schachspieler denken womöglich schon häufiger logischer oder haben Geduld, auch wenn das hauptsächlich voraussetzende Eigenschaften sind. Eigentlich denke ich, es sind meistens eher Vorurteile. Ich kenne auch sehr gesellige Schachspielerinnen, und eine Freundin von mir hat zum Beispiel grün gefärbte kurze Haare – was nicht unbedingt das Bild ist, was man sich unter einer Schachspielerin vorstellt.

*Sind in deinem Verein auch noch andere Mädchen? Wie ist das zahlenmäßige Verhältnis von weiblichen und männlichen Mitgliedern dort?*
In meinem Verein gibt es keine Mädchen mehr in meinem Alter, höchstens die ein oder andere Frau und auch oft kleinere Kinder. Wir sind allerdings auch nicht sehr viele, und bei einem anderen, großen Verein, gibt es relativ viele Mädchen. Dennoch sind eindeutig mehr Jungen dabei.

*Nach einer im Januar 2007 veröffentlichten Umfrage spielen in Deutschland knapp ein Drittel der Männer und etwa eine von acht Frauen zumindest gelegentlich Schach. Was denkst du, ist der Grund, warum es immer noch weniger Mädchen als Jungs gibt, die Schach spielen?*
Vielleicht liegt es an den Vorurteilen, dass Frauen nicht für Denksport geschaffen sein sollen, keine Ahnung.

*Was möchtest du denjenigen sagen, die gerne Schach spielen möchten, aber sich noch keinen Ruck geben konnten?*
Niemand sollte sich zu irgendetwas zwingen, manches liegt dem einen mehr und dem anderen weniger. Wenn man – bzw. frau – sich aber dafür interessiert, spricht nichts dagegen, einfach mal nach einem Club oder Verein in der Nähe Ausschau zu halten. Man muss sich ja nicht direkt zu etwas verpflichten, sondern kann sich ja auch erstmal einfach umschauen und es probieren!

*Danke dir für das Interview :-)*

Autorin / Autor: Rosi und Lili - Stand: 4. März 2014