Lügenpresse ist Unwort des Jahres

Begründung der Jury: Schon für Nationalsozialisten war das ein "Kampfbegriff"

Es war zu hoffen und zu erwarten, dass ein Wort aus dem PEGIDA-Umfeld in diesem Jahr zum 24. „Unwort des Jahres" gewählt werden würde. So dürfte es viel Zustimmung erfahren, dass gerade jetzt nach den Terrorangriffen auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo das Wort „Lügenpresse“ als solches gewählt wurde. Der von PEGIDA-AnhängerInnen am meisten verwendete Begriff war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien. Diesen Hintergrund des Ausdrucks scheint aber einem Großteil derjenigen, die ihn seit dem letzten Jahr als „besorgte Bürger“ skandieren und auf Transparenten tragen, nicht bewusst zu sein, und das mache ihn zu einem besonders perfiden Mittel derjenigen, die ihn gezielt einsetzen, argumentiert die Jury die aus vier SprachwissenschaftlerInnen und einem Journalisten besteht. Dabei stellen sie klar, dass man Mediensprache durchaus mit kritischem Blick betrachten soll und nicht alles, was in der Presse steht, auch wahr ist. Der Ausdruck „Lügenpresse“ verunglimpfe aber die Medien pauschal, weil sich die große Mehrheit der JournalistInnen bemühe, der gezielt geschürten Angst vor einer vermeintlichen „Islamisierung des Abendlandes“ eine sachliche Darstellung gesellschaftspolitischer Themen und differenzierte Sichtweisen entgegenzusetzen.

Für die Wahl zum Unwort des Jahres 2014 wurden insgesamt 1246 Vorschläge mit 733 verschiedenen Wörtern eingereicht. Die häufigsten Einsendungen (je über 10 Einsendungen), die den Kriterien der Jury entsprechen, waren "Putin-Versteher" / "Russland-Versteher" (zusammen 60-mal), "PEGIDA" / "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes" (44-mal), "Social Freezing" (29-mal), "tierische Veredelung" / "Veredelungsindustrie" / "Veredelungswirtschaft" (in allen Varianten zusammen 25-mal) und "Gutmensch" / "Gutmenschentum" (zusammen 15-mal).

*Rügen für gedankenlosen Sprachgebrauch*
Eine Rüge bekamen jedoch nicht die am meisten eingereichten Begriffe, sondern die im öffentlichen Kontext nach Meinung der Jury am gedankenlosesten verwendeten Wörter. Mit der Kritik an diesen Wörtern will die Initiative mehr Verantwortung im sprachlichen Handeln anstoßen. So wurde der Begriff „Erweiterte Verhörmethoden“ zwar nur fünf mal eingesendet, doch die Jury wählte ihn trotzdem, weil er sich nach der Veröffentlichung über die Foltermethoden im CIA Bericht 2014 zu einem "dramatisch verharmlosenden Ausdruck in der Berichterstattung" etabliert habe und unmenschliches Handeln, nämlich Folter, legitimieren solle. Auch wenn er oft in distanzierenden Anführungszeichen stehe, diene er letztlich dazu, das sehr klare Wort „Folter“ zu umgehen. Damit mache man sich die Sprache der Täter zu eigen, kritisieren die SprachkritikerInnen zu recht.

Auch der Ausdruck „Russland-Versteher“ wurde nur sechsmal eingesendet, bekam aber trotzdem eine Rüge, weil der in der aktuellen außenpolitischen Debatte gebrauchte Begriff das positive Wort „verstehen“ diffamierend verwendet. Dabei sollte das Bemühen, fremde Gesellschaften und Kulturen zu verstehen, Grundlage einer jeden Außenpolitik sein, weil die Alternative nur Hass sein könne. "Eine fremde Perspektive zu verstehen, bedeutet keinesfalls, damit zugleich Verständnis für daraus resultierende (politische) Handlungen zu haben. Andere polemisierend als „Versteher“ zu kritisieren, ist damit unsachlich und kann die inhaltliche Diskussion nicht ersetzen.

*Über die Aktion "Unwort des Jahres"*
Die Aktion "Unwort des Jahres" möchte durch ihre kritische Beleuchtung des öffentlichen Sprachgebrauchs das Bewusstsein und die Sensibilität für Sprache in der Gesellschaft fördern. So untersucht sie Formulierungen in allen Feldern der öffentlichen Kommunikation, die zum Beispiel gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstoßen, oder solche, die einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder verschleiernd und irreführend sind. Dazu kommt, dass die in die Bewertung einfließenden Formulierungen öffentlich geäußert wurden und eine gewisse Aktualität besitzen. Jede/r kann zum 31.12. eines jeden Jahres schriftlich Unwortvorschläge mit einer kurzen Begründung an die Jury einreichen.

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Autorin / Autor: Redaktion /Pressemitteilng - Stand: 13. Januar 2015