Ist Technikinteresse hormongesteuert?

PsychologInnen sehen Zusammenhang zwischen vorgeburtlichem Hormonspiegel und beruflichen Interessen

Woran liegt es, dass die einen auf Bohrmaschine, Bagger und später auf Berufe mit technischem Hintergrund abfahren, während die anderen das alles völlig kalt lässt und ihr Herz nur dann höher schlägt, wenn sie sich sozial engagieren können? Ist dieses Phänomen tatsächlich nur auf die Erziehung und Sozialisation zurück zu führen oder spielen vielleicht doch genetische und evolutionäre Faktoren eine Rolle? Das fragen sich nicht nur Feministinnen, die manchmal fassungslos vor ihren Söhnen und Töchtern stehen, wenn diese sich für ganz geschlechtsstereotypes Spielzeug entscheiden, obwohl sie doch ganz anders erzogen wurden.

Es gibt nun mal wieder einen Erklärungsvorstoß, der die biologische Sichtweise des Geschlechterproblems nährt: PsychologInnen der Universität Konstanz konnten angeblich einen Zusammenhang zwischen dem vorgeburtlichen Hormonspiegel und den später ausgeprägten beruflichen Interessen von Frauen und Männern nachweisen. In einer Studie mit über 8.600 TeilnehmerInnen konnten sie nach ihren Angaben aufzeigen, dass der vorgeburtliche Testosteronspiegel einen Einfluss darauf hat, ob jemand ein eher technisch beziehungsweise eher sozial orientiertes Berufsinteresse entwickelt. War der Testosteronspiegel vor der Geburt hoch, so zeigte sich bei den Kindern später offenbar ein erhöhtes Interesse an technischen Gegenständen und Fragestellungen. Umgekehrt habe sich ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen vorgeburtlichen Testosteronspiegel und einem erhöhten Interesse am Umgang mit anderen Menschen und sozialen Fragestellungen gezeigt.

Dr. Benedikt Hell und Katja Päßler sehen damit die Geschlechterstereotype von technisch ausgerichteten Männern und sozial engagierten Frauen bestätigt und schlussfolgern daraus die These, dass „wir keine Gleichverteilung der Geschlechter in Studiengängen oder Berufen erwarten können oder gar fordern sollten“. Trotzdem solle man die Zusammenhänge "unbedingt differenziert betrachten", erklärt Hell. Diese statistische Beziehung lasse noch keine Rückschlüsse auf den Einzelfall zu, es handele sich lediglich "um Tendenzen in einer großen Stichprobe.“

Dass diese Studie mit großer Vorsicht zu genießen ist, belegt schon die Tatsache, dass sich der pränatale Hormonspiegel nur indirekt abbilden lässt. Hell und Päßler griffen hierzu auf Studien zurück, die nachweisen konnten, dass das Längenverhältnis zwischen Zeigefinger und Ringfinger Rückschlüsse auf den vorgeburtlichen Testosteronspiegel erlaubt: Fingerlänge und pränataler Hormonspiegel werden von derselben Gensequenz gesteuert, so dass die Längenverhältnisse der Finger ein Indikator für die vorgeburtliche Ausprägung des Hormonspiegels sind. Die Studie „Are occupational interests hormonally influenced?“ ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Personality and Individual Differences“ veröffentlicht.

Auch wenn sich viele durch diese Untersuchung nun wieder in ihren stereotypen Rollenbildern bestätigt sehen: die vielen Studien, die inzwischen belegen, dass technisches Interesse bei Mädchen sich sehr wohl fördern lässt und die Erfolge, die Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen hatten und haben, sind ein nicht weg zu diskutierender Beweis dafür, dass der Testosteronspiegel in der Schwangerschaft kein Hinderniss für eine geschlechtsneutrale Berufswahl sein dürfte !

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Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion