Hingeschmissen

Studie zu den Gründen für einen plötzlichen Schulabbruch

Für Eltern, Lehrer_innen und Mitschüler_innen ist es oft ein Schock, wenn Jugendliche kurz vor dem Abitur oder einem anderen Schulabschluss die Schule hinschmeißen. Warum gerade jetzt? So kurz vor dem Ziel? Ein Studie der kanadischen Universität in Montréal ging diesem Phänomen nun auf den Grund und fand heraus, dass Jugendliche, die starken Stressfaktoren ausgesetzt sind, in den folgenden Monaten mehr als doppelt so häufig die Schule abbrechen wie ihre Schulkamerad_innen. Dabei sind diese Probleme nicht immer schulbezogen, im Gegenteil: oft sind es  familiäre Umbrüche, wie zum Beispiel die Scheidung der Eltern, Arbeitsprobleme (Entlassung), Gesundheitsprobleme (ein Autounfall), Konflikte mit Gleichaltrigen und rechtliche Fragen.

Bisherige Studien über die Gründe von Schulabbrüchen konzentrierten sich oft auf einzelne Auslöser, wie zum Beispiel frühe Schwangerschaften. Die Ende März veröffentlichte Studie schaute sich erstmals eine größere Palette von Ereignissen an, die dazu führen könnten, dass Schüler_innen ihre Klassen kurz vor dem Ziel verlassen. Es bestätigte sich die Vorannahme der Studienautor_innen, dass häufig ein unglückliches Zusammentreffen vieler Faktoren zur Ausstiegsentscheidung führt. Und dies meist in einem Zeitraum, der kurz vor dem Abschluss liegt und nicht verteilt über mehrere Jahre. Dies erklärt laut den Wissenschaftler_innen auch, warum auch Schüler_innen ohne vorherige schulische Schwierigkeiten plötzlich abbrechen.

Die Studie stützt sich auf Daten von 545 16-jährigen Jugendlichen an 12 öffentlichen Gymnasien in benachteiligten Vierteln in und um Montreal zwischen 2012 und 2015, wo die durchschnittliche Abbruchrate doppelt so hoch lag wie im Durchschnitt. Die Schüler_innen wurden im Laufe des Vorjahres ausführlich über Stressoren in ihrem Leben befragt. Ein Drittel von ihnen hatte gerade abgebrochen, ein weiteres Drittel waren Schüler_innen mit einem ähnlichen akademischen Profil und Familienhintergrund, und ein letztes Drittel waren durchschnittliche, nicht-gefährdete Mädchen und Jungen. Die Interviews konzentrierten sich auf zwei Arten von Stressauslösern: "diskrete" Ereignisse (z.B. den Rückfall eines psychisch kranken Elternteils) und chronische Schwierigkeiten, die mindestens einen Monat dauerten (z.B. Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer Gehirnerschütterung). Die Jugendlichen wurden auch nach Problemen in der Schule, bei der Arbeit, beim Wohnen, mit Geld, mit rechtlichen Fragen, Unfällen oder gesundheitlichen Problemen und persönlichen Beziehungen (mit Freunden, Familie und Liebesbeziehungen) gefragt. Spezielle Fragen bezogen sich auch auf den Bildungsbereich: Kursversagen, Programm- oder Schulwechsel, Konflikte mit Lehrer_innen, etc..

Die Studie zeigte, es gab tatsächlich signifikante Unterschiede zwischen den Abbrecher_innen und den beiden anderen Gruppen bezogen auf das Auftreten starker Stress-Situationen in den drei Monaten vor dem Interview. In diesem Zeitraum waren die Abbrecher_innen mindestens einem schwerwiegenden Stressauslöser mehr als doppelt so stark ausgeliefert wie Durchschnittsschüler_innen. Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass das Zusammentreffen von zwei oder mehr unglücklichen Ereignissen bei Schul-Abbrecher_innen zwölfmal höher lag als bei den den Vergleichsgruppen. Etwa ein Drittel der Schwierigkeiten waren schulbedingt, während ein Viertel wiederkehrende Familienkonflikte betraf. Chronische Gesundheitsprobleme machten 18% aus, auf Probleme mit Gleichaltrigen und Liebes-Beziehungen entfielen 16%, wiederkehrende rechtliche Probleme waren selten (2%), und die letzten 10% waren verschiedene Probleme.

Während Vorgänger-Studien eher Früh-Schwangerschaften, Verhaftungen, Krankenhausaufenthalte oder häufige Schulwechsel mit erhöhten Abbruchraten verbinden, geht diese Studie eher auf den Zeitraum des Stressereignisses ein, nämlich einige Monate vor dem Verlassen der Schule. Die Wissenschaftler_innen kommen deshalb zu dem Schluss, dass je näher die Probleme am Zeitpunkt des Abschlusses liegen, desto höher ist die Abbruch-Gefahr. "Diese Ergebnisse zeigen, dass das Risiko von Schulabbrüchen nicht auf lange Sicht vorbestimmt ist", sagte Véronique Dupéré. "Vielmehr schwankt es und steigt, wenn Jugendliche mit anspruchsvollen Situationen in ihrem Leben umgehen müssen. Diese Situationen sollten Lehrer_innen im Auge behalten und die passende Unterstützung zur richtigen Zeit anbieten.

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 25. April 2017