Tratschopfer im Blick

Böse Gerüchte beeinflussen die Wahrnehmung

Gerüchte beeinflussen nicht nur, wie wir fremde Menschen bewerten, sondern sie beeinflussen auch, wie wir sie überhaupt "sehen". Das glauben WissenschaftlerInnen der Northeastern University in Boston, die in Experimenten mit Testpersonen herausgefunden haben, dass Menschen intensiver ins Blickfeld geraten, wenn wir etwas schlechtes über sie gehört haben.

Für ihre Versuche zeigte das Forscherteam um Eric Anderson den ProbandInnen in unterschiedlichen Versuchsanordnungen Fotos. Zunächst wurden ihnen Gesichter gezeigt, zu denen jeweils eine kleine Geschichte erzählt wurde - entweder ein böses Gerücht ("er hat ein kleines Kind geschlagen"), eine freundliche Geschichte ("sie hat einer Schwangeren ihren Platz im Bus angeboten") oder eine neutrale Geschichte.

Dann zeigten sie den ProbandInnen Bilder - und zwar dem einen Auge das Foto eines der zuvor gesehenen Gesichter, dem anderen Auge ein neutrales Bild von einem Haus. Bei dieser Art der Wahrnehmung geraten die Augen in eine Art Konkurrenzsituation, die binokulare Rivalität genannt wird. Die Bilder werden dabei nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd wahrgenommen. Es wird vermutet, dass solche Bilder länger und intensiver wahrgenommen werden, die wir selbst für wichtiger halten.

Beim Betrachten der Bilder sollten die Testpersonen einen Knopf drücken, wenn sie merkten, dass ihre Wahrnehmung von einem Bild zum anderen wechselte.

Mehr Aufmerksamkeit für "böse" Menschen?

Die Auswertung zeigte, dass Gesichter, die mit einer negativen Geschichte verknüpft waren, von den Testpersonen länger und intensiver wahrgenommen wurden als die anderen Gesichter.

Üble Nachrede beeinflusst uns also nicht erst in der Bewertung von fremden Menschen, sondern wirkt sich schon an früherer Stelle auf die Art der Wahrnehmung aus. Die ForscherInnen glauben, dass uns diese Neigung helfen könnte, uns besser vor Menschen mit schlechten Absichten zu schützen. Indem wir Leuten mit schlechtem Leumund von vorneherein länger beobachten, können wir auch mehr Informationen über sie sammeln. Ob uns unsere Wahrnehmung da nicht gehörig in die Irre führt? Eventuell wäre es ja effektiver, sich statt auf die Verleumdeten eher auf die Verleumder zu konzentrieren, denn die führen möglicherweise ja erst recht nichts Gutes im Schilde ;-).

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 20. Mai 2011