Frage und du wirst gesehen

Männer stellen 80 Prozent der Fragen in Wissenschaftskonferenzen und verschaffen sich so Aufmerksamkeit. Warum das so ist, untersuchte eine Studie der Universitäten Oxford und Cambridge

Normalerweise wird Frauen unterstellt, dass sie Quasselstrippen seien - manche Studien wollen sogar ergeben haben, dass sie dreimal so viel sagen wie Männer. Schaut man sich hingegen in Uni-Seminaren, Konferenzen oder anderen Veranstaltungen um, scheint es genau umgekehrt zu sein: Männer reden, Frauen hören zu. Besonders auffällig ist dieses Phänomen bei professionellen MINT-Veranstaltungen, die in einem Forschungsprojekt von einem Team der Universitäten Oxford und Cambridge untersucht wurden. In einer neuen, in PLOS ONE veröffentlichten Studie untersuchten die Wissenschaftler_innen das Frageverhalten auf dem Internationalen Kongress für Naturschutzbiologie 2015 mit 2000 Teilnehmer_innen. Trotz eines klaren Verhaltenskodex, der die Gleichberechtigung förderte und jede Form von Diskriminierung verbot, stellten die männlichen Teilnehmer 80 Prozent mehr Fragen als die weiblichen Teilnehmer. Dasselbe Muster fanden die Forscher_innen auch bei jüngeren Teilnehmenden, woraus sie schließen, dass das Verhalten nicht nur auf die hochrangigen Forscher zurückzuführen ist, von denen ein großer Teil männlich ist.

*Wer fragt, wird gesehen*
Woran aber liegt die Sprachlosigkeit der Frauen? Die Forscher_innen machen die anhaltende Geschlechterungleichheit in MINT-Feldern dafür verantwortlich, dass Wissenschaftlerinnen weniger Vertrauen und Bereitschaft zeigen, öffentlich zu sprechen. Sie erwägen aber auch noch eine andere Interpretation: So könnte es sein, dass Frauen mehr Sicherheit in ihrem Fachwissen haben und nicht das Bedürfnis verspüren, so viele Fragen zu stellen. Da es beim Fragenstellen auf Konferenzen jedoch nicht nur darum geht, Unklarheiten zu beseitigen, sondern sich selbst sichtbar zu machen und das eigene Profil zu schärfen, vergeben Frauen damit eine Chance, sich im Wettbewerb mit Männern zu messen, so die Studie.

Die Untersuchung beinhaltet ein Bewertungsmodell, das die Faktoren misst, die das berufliche Ansehen der Wissenschaftler_innen beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel die Anzahl der veröffentlichten Artikel und die akademische Position, aber auch das soziale Ansehen, das mehr mit dem Erscheinungsbild und dem öffentlichen Profil zusammenhängt und daher möglicherweise anfälliger für Diskriminierung und Stereotypisierung ist.

*Negative Feedbackschleife*
Dr. Amy Hinsley, eine der Studienautor_innen, sagte: "Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Männer häufiger zu Konferenzen eingeladen werden, was dazu führen kann, dass sie einen höheren sozialen Ruf haben als ihre weiblichen Kollegen. Wenn Frauen sich als Niedrigverdienerinnen fühlen und während ihrer gesamten Laufbahn diskriminiert und benachteiligt wurden, sind sie möglicherweise weniger an öffentlichen Diskussionen beteiligt, was sich wiederum auf ihre wissenschaftliche Reputation auswirken wird. Diese negative Feedbackschleife kann Frauen und Männer betreffen, aber die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Frauen stärker betroffen sind."

Die Forscher_innen sind der festen Überzeugung, dass die Studie als Gelegenheit genutzt werden sollte, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und eine Diskussion über die Ursachen anzuregen.

Dr. Alison Johnston, Hauptautorin der Studie möchte mit der vorliegenden Arbeit Organisator_innen von Konferenzen dazu anregen, alle Teilnehmenden in ihrer aktiven Beteiligung zu fördern. "Man könnte zum Beispiel Fragen über Twitter oder andere kreative Lösungen testen. Auch könnten die Referent_innen dazu ermutigt werden, Teilnehmer auszuwählen, die das Geschlecht im Publikum repräsentieren", so die Wissenschaftlerin. Die beobachteten Verhaltensmuster seien jedoch nur ein Symptom eines größeren Problems, das nicht alleine mit verschiedenen Techniken gelöst werden könne. "Wir sollten weiter forschen und die Ursachen dafür untersuchen, damit wir Maßnahmen ergreifen können, die das Gesamtbild für Frauen in der Wissenschaft verändern. Wenn wir die Chancengleichheit für Frauen in MINT erreichen wollen, muss die komplexe Frage der Ungleichheit der Geschlechter auf der Tagesordnung bleiben", fordert Dr. Johnston.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 25. Oktober 2017