Feiern oder vorsichtig sein?

Internationale Studie: Wie entscheiden sich Menschen angesichts fallender Corona-Beschränkungen?

Auch wenn es so aussieht, als hätten wir die Corona-Pandemie überstanden, das COVID-19-Virus, das Influenzavirus und andere Fieslinge schwirren immer noch um uns herum, und so manche eine:r fragt sich, ob und wie man die kommenden festlichen Aktivitäten durchführen sollte? Sollte man zur Geburtstagsparty gehen, obwohl man mit einem Schnupfen aufgewacht ist? Soll man eine Maske im Supermarkt tragen, nachdem man erfahren hat, dass ein enger Freund COVID-19 hat?

Neue Forschungsergebnisse der University of Colorado Boulder, die in der Fachzeitschrift PNAS Nexus veröffentlicht wurden, zeigen, dass Menschen, die sich einen Moment Zeit nehmen, um über die Folgen ihres Verhaltens nachzudenken, sich eher für Optionen entscheiden, die für andere Menschen weniger Risiken bergen. Die internationale Studie, an der 13 000 Menschen teilnahmen, ergab außerdem, dass die Gesundheit und das Wohlergehen anderer Menschen fast durchgängig geschätzt werden.

"Die meisten Menschen streben danach, sich so zu verhalten, dass das Wohlergehen anderer berücksichtigt wird, aber oft verhalten sie sich egoistischer, als sie es eigentlich wollen", so Hauptautorin Leaf Van Boven, Professorin für Psychologie und Neurowissenschaften an der CU Boulder. "Unser Labor versucht, Wege zu finden, wie die Menschen ihr momentanes Verhalten besser mit ihren Werten in Einklang bringen können.

Für die Studie, die auf dem Höhepunkt der Pandemie durchgeführt wurde, stellten Van Boven und Kolleg:innen in London, Österreich, Singapur, Israel, Italien und Schweden den Teilnehmenden in diesen Ländern und den Vereinigten Staaten drei hypothetische Szenarien vor:

In einem Szenario sollten sie ein kleines Restaurant betreiben und überlegen, ob sie die Kapazität reduzieren sollten, als das Virus überhand nahm. In einem anderen sollten sie sich nach Monaten der Isolation mit 50 Freund:innen zu einer Geburtstagsfeier treffen, während ihre Regierung warnte, dass aufgrund eines COVID-19-Anstiegs Versammlungen von 10 oder mehr Personen unklug seien. In einem dritten Fall überlegten sie, ob sie ein geplantes Erntedankfest mit 30 Familienmitgliedern, darunter ältere Erwachsene und kleine Kinder, absagen sollten.

Wissen ist nicht alles

Bevor sie eine Entscheidung trafen, sollte die Hälfte der Studienteilnehmenden innehalten und eine Technik namens "strukturierte Reflexion" anwenden, die in Van Bovens Labor entwickelt wurde und den Menschen helfen soll, sich ihrer eigenen Werte bewusst zu werden. Sie stellten sich selbst zwei Fragen, in denen sie die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf sie persönlich und die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit gegenüberstellten. Beim Thanksgiving-Szenario fragten sie zum Beispiel: "Wie sehr (auf einer Skala von 1 bis 7) sollte Ihre Entscheidung von der Wahrscheinlichkeit beeinflusst werden, dass sich COVID-19 unter Familienmitgliedern ausbreitet?" Und "Wie sehr sollte Ihre Entscheidung von Ihrer Zufriedenheit mit der Zeit, die Sie mit Familienmitgliedern verbringen, beeinflusst werden?"

Das Ergebnis: Über alle Länder, Kulturen, Altersgruppen und politischen Parteien hinweg gaben fast alle Befragten dem Wohlergehen der anderen mindestens gleich viel Gewicht. "Das ist ermutigend", sagte Van Boven. "Unsere und andere Studien deuten darauf hin, dass es eine universelle menschliche Tendenz ist, dass Menschen sich dafür verantwortlich fühlen wollen, wie sich ihr Verhalten auf andere Menschen auswirkt." Die Teilnehmenden der strukturierten Reflexionsgruppe gaben deutlich häufiger an, dass sie Thanksgiving absagen würden, und in den anderen Szenarien tendierten sie eher dazu, die Risiken für die öffentliche Gesundheit zu minimieren.

"Die Menschen wissen, dass sie beim Autofahren keine SMS schreiben sollten, dass es besser für den Planeten ist, den Bus zu nehmen, anstatt mit dem Auto zu fahren, dass sie mehr Gemüse essen und Sport treiben sollten, aber das Wissen ist nur der erste Schritt", sagte Van Boven. Während sich Kampagnen im Bereich der öffentlichen Gesundheit oft darauf konzentrieren, an die Vernunft der Menschen zu appelieren, verfolgt Van Bovens Team einen anderen Ansatz: Es will den Menschen helfen, sich gut zu fühlen und das zu tun, von dem sie bereits wissen, dass sie es tun sollten. Mit der Aufhebung der COVID-19-Beschränkungen werde diese Eigenverantwortung immer wichtiger werden.

"Ich würde jeden dazu ermutigen, sich selbst zu fragen, wenn er eine größere gesellschaftliche Veranstaltung in Betracht zieht: Wie hoch ist das Risiko, das man anderen Menschen zumutet, und ist der Nutzen des Treffens das Risiko wert?"

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