Fakt oder Verschwörungstheorie?

Studie über klimawissenschaftliche Inhalte auf YouTube

Viele - gerade junge Leute, die sich über klimabezogene Themen informieren wollen, nutzen YouTube-Filme als Quelle, weil sie oft verständlicher und auch unterhaltsamer sind als hochwissenschaftliche Texte. Eine neue Studie von Dr. Joachim Allgaier an der RWTH Aachen fand aber nun heraus, dass nicht mal die Hälfte der dort gezeigten Videos wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen - anders gesagt: sie sind schlichtweg falsch. Und nicht nur das, denn viele der YouTube-Videos verbreiten sogar Verschwörungstheorien über Klimawissenschaften und -technologien. Angesichts der Tatsache, dass weltweit 2 Milliarden Nutzer_innen im Monat YouTube nutzen, um sich über Wissenschaft, Gesundheit und Technologie zu informieren, ist das für Allgaier und seine Kolleg_innen eine schockierende Erkenntnis.

*Klima-Verschwörungstheoretiker*
Das Forschungsteam wollte wissen, ob die Informationen, die YouTube-Nutzer_innen bei der Suche nach wissenschaftlichen Informationen über Klimawandel und Klimaveränderung fanden, wissenschaftlich richtige Ansichten wiedergeben. Mit zehn klimabezogenen Suchbegriffen analysierte Allgaier dazu 200 Videos zu Themen rund um den Klimawandel und die Klimaveränderung. Er stellte fest, dass die Mehrheit dieser Videos dem weltweiten wissenschaftlichen Konsens der UN widerspricht.

Viele der Videos propagieren zum Beispiel die so genannte "Chemtrails"-Verschwörungstheorie, d.h. den Glauben, dass die Kondensstreifen von Flugzeugen gezielt mit Schadstoffen angereichert sind, um das Wetter zu verändern, menschliche Populationen zu kontrollieren oder um biologische oder chemische Kriegsführung zu praktizieren werden. Aus Sicht der Wissenschaft gibt es keine Beweise für ein so groß angelegtes geheimes "atmosphärisches Sprühprogramm".

*Geo-Engineering wurde entführt*
Um ihre Weltanschauung einer globalen Verschwörung zu untermauern, gehen Verschwörungstheoretiker offenbar dazu über, einige relativ neue wissenschaftliche Begriffe zu "entführen". So raten "Chemtrailer", wie sie genannt werden, ihren Anhängern ausdrücklich, wissenschaftliche Begriffe in ihren Inhalten zu verwenden, so dass sie nicht sofort als Verschwörungstheoretiker identifiziert werden können, erklärt Allgaier.

"'Geo-Engineering' beschreibt in der wissenschaftlichen Welt Technologien, mit deren Hilfe die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels gemildert werden könnten, wenn es uns nicht gelingt, die Treibhausgase erfolgreich zu reduzieren. Zum Beispiel die Beseitigung von Treibhausgasen, Sonnenschutzmaßnahmen oder die massive Aufforstung zur Aufnahme von Kohlendioxid", erklärt Allgaier. "Wer jedoch auf YouTube nach 'Geo-Engineering' oder 'Klimaveränderung' sucht, wird keine Informationen zu diesen Themen finden, wie sie von Wissenschaftlern und Ingenieuren diskutiert werden. Stattdessen führt die Suche nach diesen Begriffen zu Videos, die den Nutzer völlig unwissenschaftlichen Videoinhalten aussetzen."

Allgaier hat bei der massenhaften Verbreitung solcher Inhalte auch YouTube-Suchalgorithmen im Visier, und fragt sich, ob es zum Geschäftsmodell gehöre, den Traffic auf Videos mit zweifelhaften wissenschaftlichen Inhalten zu lenken, da einige der Verschwörungsvideos Verkaufsanzeigen mit verschwörungstheoretischen Motiven enthielten.

"Die Funktionsweise der YouTube-Suchalgorithmen ist nicht sehr transparent. Wir sollten uns bewusst sein, dass diese mächtige künstliche Intelligenz bereits Entscheidungen für uns trifft, zum Beispiel, wenn man sich für die Verwendung von "Auto-Play" entscheidet. Ich denke, YouTube sollte die Verantwortung dafür übernehmen, dass seine Nutzer qualitativ hochwertige Informationen finden, wenn sie nach wissenschaftlichen und biomedizinischen Begriffen suchen, anstatt zweifelhaften Verschwörungsvideos ausgesetzt zu sein", argumentiert Allgaier.

*Wissenschaftler und YouTubers vereinen sich*
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, schlägt Allgaier vor, dass Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatorinnen YouTube als Plattform für den Austausch wissenschaftlicher Informationen ernst nehmen sollten.

"YouTube hat eine enorme Reichweite als Informationskanal, und einige der populärwissenschaftlichen YouTuber leisten hervorragende Arbeit bei der Kommunikation komplexer Themen und erreichen neue Zielgruppen. Wissenschaftler könnten Allianzen mit Wissenschaftskommunikatoren, Politikern und Vertretern der Populärkultur bilden, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Sie sollten sich öffentlich über ihre Forschung äußern und transparent sein, um das etablierte Vertrauen zu erhalten."

Die Studie, wurde in Frontiers in Communication veröffentlicht.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 31. Juli 2019