Erst besinnen, dann streiten

Forschung: Gedanken über die eigenen Werte vor einer Diskussion führen zu harmonischeren Gesprächen

Die Gesellschaft ist gespalten, in sozialen Netzwerken schlagen sich alle die Köpfe ein, wer was sagt, riskiert einen Shitstorm. Dieser Blick auf die Gesellschaft wird uns oft vermittelt, aber stimmt das wirklich? Sind wir wirklich so verroht und unfähig, gesittet mit anderen zu diskutieren, wenn wir unterschiedliche Meinungen haben?

Britische Forscher:innen der University of Essex und der University of Bath haben in einer Studie hoffnungsvolle Erkenntnisse gewonnen. Sie haben untersucht, wie die Besinnung auf die eigenen Werte dazu führen kann, dass Menschen sich in einer kontroversen Diskussion respektvoller und offener verhalten. In einem Laborversuch ließen sie insgesamt 303 Teilnehmende in kleinen Gruppen miteinander über Studiengebühren diskutieren.

Vor der Diskussion wurde die Hälfte der Teilnehmenden gebeten, aufzuschreiben, welche Werte sie für wichtig halten. Die Diskussionen wurden aufgezeichnet und ausgewertet.

"Intellektuelle Bescheidenheit"

Dabei zeigte sich, dass das Nachdenken über die eigenen Werte vor der eigentlichen Diskussion dazu beitrug, die "intellektuelle Bescheidenheit" der Teilnehmenden zu fördern: ihr Bewusstsein, dass sie auch mal falsch liegen können und ihre Offenheit für die Ansichten anderer. 60,6 % der Testpersonen, die zuerst über ihre Werte nachdachten, zeigten mehr Bescheidenheit als der Durchschnitt der Personen, denen diese Aufgabe nicht gestellt wurde.

Für die Forscher:innen ist diese Erkenntnis Anlass für Optimismus: Wenn die Menschen innehalten und über die Werte nachdenken würden, die ihnen wichtig sind, könnten die Debatten in der Online- und Offline-Welt viel harmonischer verlaufen, spekulieren sie.

Dr. Paul Hanel, Co-Leiter der Studie, erklärt: "Man sagt uns oft, dass wir in einer polarisierten Welt leben, in der man mit einer 'falschen' Meinung zu einem Thema schon niedergeschrien wird, bevor man überhaupt zu Wort gekommen ist.

Polarisierung übertrieben?

Diese Forschung legt nahe, dass die Polarisierung übertrieben sein könnte und dass unsere Interaktionen harmonischer werden könnten, wenn wir innehalten und über unsere persönlichen Werte nachdenken, bevor wir uns auf diese Art von Gesprächen einlassen.

Bereits frühere Forschungsarbeiten des Teams aus dem Jahr 2019 haben ergeben, dass die Menschen in ihren Überzeugungen und Werten viel mehr vereint sind, als die Medienberichterstattung oft vermuten lässt.

Mitautor Professor Greg Maio fügte hinzu: "Die gute Nachricht dieser Studie ist, dass die Hetze, die wir oft online sehen, nicht so sein muss."

Die Forschenden möchten in Zukunft gerne untersuchen, "ob diese Art der Wertereflexion auch online funktioniert, um einen weniger arroganten Dialog unter den Nutzer:innen sozialer Medien zu fördern".

Ehe ihr euch mit einem Puls von 180 in die nächste kontroverse Debatte stürzt, schreibt auf, welche Werte euch eigentlich wichtig sind. Toleranz? Offenheit? Zusammenhalt? Was noch? So gerüstet, könnt ihr in eine hoffentlich freundliche und friedliche Diskussion einsteigen.

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung